zum Hauptinhalt
Der Honig soll gentechnikfrei bleiben. Dafür hat Karl-Heinz Bablok erfolgreich gekämpft.

© dapd

Lebensmittel: Der Bienenkönig

Hobbyimker Bablok setzt EU-weit durch, dass Honig keine genveränderten Pollen enthalten darf

Karl Heinz Bablok sitzt im EC von München ins bayerisch-schwäbische Donauwörth, so wie jeden Abend. Er ist Berufspendler, in der Landeshauptstadt arbeitet er bei BMW. Doch an diesem Tag ist die Rückfahrt etwas Besonderes. „Wie ist es ausgegangen?“, fragen ihn die Mitreisenden, sobald sie ihn sehen. Man kennt sich auf dieser Strecke. Er hebt den Daumen nach oben. „Wir haben gewonnen“, sagt der 55-jährige Hobbyimker und strahlt. Die Leute gratulieren.

Erst eine Stunde zuvor hat ihn die Nachricht erreicht, dass der Europäische Gerichtshof in Luxemburg ihm Recht gibt: Honig, in dem sich gentechnisch veränderte Pollen befinden, darf nicht mehr auf den Markt kommen und verkauft werden, entschieden die Richter. Schätzungen zufolge sind ein Drittel des in der EU hergestellten Honigs damit belastet und fast sämtliche Produkte aus Süd- und Nordamerika.

Acht Jahre lang hat Bablok gekämpft. Für seine 20 Bienenvölker in seinem Heimatort Kaisheim und gegen die Gentechnik. „Ich wollte einfach nur durchsetzen, dass unser Honig sauber ist“, meint er. Es war ein Kampf gegen viele Institutionen, mit vielen Irrungen und Wirrungen, Prozessen, Gutachterstreitereien.

Als im Jahr 2003 der internationale Agrarkonzern Monsanto gentechnisch veränderten Mais pflanzte, schwante Karl Heinz Bablok schon das Unheil. Es war ein genehmigter Versuch, 500 Meter von seinem Bienenhaus entfernt. „Wir haben demonstriert, aber es hat nichts genützt“, erinnert er sich. Die Maissorte MON 810 blieb auf dem Feld in dieser ländlichen Gegend, 40 Kilometer nördlich von Augsburg.

Bablok schickte seinen Honig nach Weihenstephan ins Labor zu einer Analyse beim staatlichen Institut für Lebensmitteltechnologie. Das Ergebnis war erschütternd: 4,1 Prozent der Pollen stammten von dem gentechnisch veränderten Mais. Die Bienen, die bis zu fünf Kilometer weit fliegen, sammelten fleißig auf dem Monsanto-Feld. Da hätte er noch aufhören können mit seinem Kampf, hätte das Ergebnis leise unterschlagen und einfach weiter imkern können, Genpollen hin oder her. „Das haben mir auch manche geraten“, erinnert sich Bablok. Kollegen waren das und Lokalpolitiker, die keine Debatte über verunreinigten Honig haben wollten. „Wo kein Kläger, da kein Richter“, sagten sie.

Karl-Heinz Bablok
Karl-Heinz Bablok

© dpa

Warum hat er das nicht getan? Karl Heinz Bablok überlegt nicht lange: „Weil ich einen solchen Honig nicht essen will. Und auch niemand anderem geben.“ Er pochte auf klare Aussagen: Sein Honig mit Genpollen dürfe weder verkauft noch verschenkt werden, beschieden ihm die Behörden. Das sei kein Lebensmittel, sondern rechtlich gesehen Sondermüll. Der Imker brachte seine Jahresproduktion von 300 Kilogramm zur Mülldeponie und ließ sie ebenso wütend wie öffentlichkeitswirksam verbrennen.

Wie kommt man zu einer solch großen Liebe zum Honig, der rein und unverfälscht sein muss? Im Zug deutet Bablok auf die vorbeirauschende Landschaft, auf Felder, Wiesen, Wälder. „Vor 20 Jahren war das“, erinnert er sich, „hier im Zug“. Er habe diese Natur gesehen und gedacht: „Ich muss auch etwas dafür tun und nicht nur reden.“ Da kam ihm die Idee mit der Imkerei. 35 Jahre war er damals alt, seit fünf Jahren Mitglied bei den Grünen. In die Öko-Partei ist er nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl eingetreten – „da war meine Tochter gerade geboren“.

Ein Freund schenkte ihm das erste Bienenvolk, er besorgte sich ein Grundstück dafür. Mittlerweile sind es 20 Völker, eine Million Bienen. Den Honig verbraucht die Familie selbst und verschenkt ihn im Bekanntenkreis. Dazu kommen zwölf Hühner und ein Gockel, sowie ein Obst- und Gemüsegarten. „Abends mache ich meinen Spaziergang und schaue nach den ganzen Sachen“, sagt Karl Heinz Bablok. „Das ist mein Hobby.“ Seine Frau will mit dem Honig nicht viel zu tun haben. „Sie nimmt ihn erst, wenn er im Glas ist.“ Im Schnitt wird der Imker 20 Mal pro Woche gestochen, doch er hat die Devise: „Guter Honig und schöne Rosen bekommt man nur unter Schmerzen.“ Zumindest seine Tochter konnte er für die Bienen gewinnen: „Die schleudert den Honig sogar im Bikini.“

2009 entschied Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), dass MON 810 in Deutschland nicht mehr angepflanzt werden darf. Damit hätte es Bablok belassen können. Auf dem Feld wurde wieder normaler Mais angebaut, sein Honig ist seitdem frei von gentechnischen Veränderungen. Er wollte aber im Land der Weltmeister der Honigesser weiter geklärt haben, ob das Produkt prinzipiell keine Gentechnik enthalten darf. Also blieb er Honigrebell, unterstützt vom „Bündnis zum Schutz der Bienen vor Agro-Gentechnik“. Die Prozesskosten dürften sich auf 100 000 Euro summieren. Schon vor einigen Jahren hat ihn der Verband der Berufsimker mit dem „Goldenen Stachel“ ausgezeichnet für seinen Einsatz, das ist ein ehrwürdiger Imkerpreis.

Auf der Zugfahrt klingelt das Handy immer wieder, Bablok ist ein gefragter Mann an diesem Abend. Der Rechtsanwalt gratuliert, Journalisten möchten ein paar Sätze von ihm hören. Oder ihn noch daheim besuchen bei seinen Bienen. Das lehnt er ab an diesem Tag. „Ich feiere heute nicht nur den Sieg in Luxemburg“, sagt der Imker, „sondern auch mit meiner Frau unseren 31. Hochzeitstag“. Er steigt aus dem Zug und verabschiedet sich. Freundlich und zufrieden.

Zur Startseite