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Letzte Fahrt: London trauert um Doppeldecker

Der so genannte "Routemaster" hat am Freitag seine letzte Fahrt in der Londoner Innenstadt absolviert. Tausende Fans säumten dabei die Straßen. Hintergrund ist eine neue Behinderten-Richtlinie der EU, die die Heckplattformen verbietet.

London - London trauert um eines seiner Wahrzeichen: Nach 51 Jahren auf den Straßen der britischen Hauptstadt hat der Routemaster genannte klassische Doppeldeckerbus am Freitag seine allerletzte Fahrt im Linienverkehr absolviert. Nachdem die roten Riesen bereits seit 1982 systematisch ausgemustert worden waren, legte das letzte Exemplar auf der Linie 159 die Strecke von Marble Arch bis Streatham zurück. An Bord: Der auf Jamaika geborene Fahrer Winston Briscoe (62) und sein Schaffner Lloyd Licorish (61), der 1965 aus Barbados nach Großbritannien gekommen war. «Wir hatten eine gute Zeit hier», meinte Licorish. «Am meisten werden mir meine Kollegen fehlen.»

Tausende Londoner säumten die Straßen, als der Bus am Mittag in der berühmten Oxford Street startete, dann in die Regent Street einbog, den Trafalgar Square überquerte und schließlich in Streatham zum Stoppen kam. Das Weihnachtsgeschäft kam zeitweise ins Stocken, weil viele mit Kameras bewaffnete Nostalgiker und Enthusiasten die letzte Fahrt des Routemaster keinesfalls versäumen wollten.

Einer der Glücklichen, die noch einen Sitzplatz ergattern konnten, war der 61-jährige Brian Hooper, der an der Haltestelle der Linie 159 am Morgen zweieinhalb Stunden auf diese letzte Reise gewartet hatte. «Ich bin froh, dass ich heute dabei sein kann», sagte Hooper. Edward Corry (40), ein anderer Fahrgast, zeigte allerdings wenig Verständnis für die Entscheidung von Londons Bürgermeister Ken Livingstone, die Busse aus dem Verkehr zu ziehen: «Wir verlieren ein großes Stück unserer Tradition. Alle Routemaster sind doch erst vor kurzem überholt worden. Die hätten noch Jahre lang fahren können.» Bis zu 2760 von ihnen hatte es auf Londons Straßen gegeben.

Hintergrund der Entscheidung des Londoner Bürgermeisters war die so genannte Behinderten-Richtlinie der Europäischen Union. Denn der Klassiker mit dem offenen Ein- und Ausgang über Treppen an der Heckplattform sei für Rollstuhlfahrer ungeeignet, befanden die EU-Bürokraten. Dass die Busse schon jetzt nicht mehr fahren dürfen, verstehen die meisten Londoner ohnehin nicht. Denn die EU-Vorschrift muss erst bis 2017 umgesetzt sein.

Abgelöst wird der Routemaster nun zum Teil von moderneren Bussen aus deutscher Produktion, dem einstöckigen Mercedes-Benz Citaro - funktional, aber unspektakulär. Auch die moderneren Doppeldecker mit automatischen Türen - statt der beim Routemaster offenen Heckplattform zum Auf- und Abspringen - bleiben den Londonern auf vielen Strecken erhalten. Doch nach Umfragen der Forschungsgruppe Policy Exchange jedoch hätten es 90 Prozent der Hauptstädter lieber gesehen, wenn ein Nachfolgemodell, ein «Routemaster-Baby», den Traditionsbus ersetzt hätte.

Einer dieser Nostalgiker ist der 82 Jahre alte ehemalige Busfahrer Ian Aitchinson, der die Linie 159 in den 70er Jahren steuerte und dem das «Ende einer Ikone», wie britische Zeitungen titelten, besonders nahe geht: «Die Routemaster waren sicher und zuverlässig», sagte der 82-Jährige. «Wir hatten eine gute Sicht, ein großes Führerhaus und vor allem im Sommer gute Luft, weil wir die Fenster öffnen konnten.» (tso/dpa)

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