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Die Nachfrage nach Lametta hat in den letzten Jahren stark nachgelassen.

© dpa

Letzter deutscher Hersteller hört auf: Die Lametta-Krise

Die Nachfrage nach Lametta lässt stark nach, der letzte deutsche Hersteller gibt auf. Wer dem Weihnachtszeitgeist trotzen will, muss nun Glitzerfäden aus chinesischer Produktion kaufen.

In vielen Kisten mit Weihnachtsschmuck aus vergangenen Jahren fliegen sie noch herum, die silber- oder goldfarbene Lamettafäden. Und genau dort bleiben sie inzwischen zumeist auch liegen. Nur wenige wollen sich noch Glitzerfäden an den Weihnachtsbaum hängen, der Weihnachtszeitgeist ist offenbar gnadenlos über die Fäden hinweggezogen. Das hat in den letzten Jahren auch der letzte deutsche Lametta-Hersteller zu spüren bekommen. Er beendet nun die Produktion.

„Wir haben in diesem Jahr das letzte Lametta produziert“, sagte Walter Enzenhöfer, Verkaufsleiter beim Unternehmen Riffelmacher & Weinberger im fränkischen Roth. Derzeit seien noch Restbestände im Handel, aber dann „wird es nicht mehr in Deutschland produziert“, sagte Enzenhöfer. Er bestätigte damit einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“.

Enzenhöfer begründete den Ausstieg seiner Firma aus der Lametta-Produktion mit der nachlassenden Nachfrage. Er weine dem Lametta jedoch keine Träne nach, sagte Enzenhöfer. Stattdessen kämen nun neue Weihnachtsprodukte auf den Markt – zum Beispiel Girlanden aus Kunststoff.

Das fränkische Unternehmen produziert seit mehr als 90 Jahren unter anderem Weihnachtsschmuck. Mit dem Ende des Lamettas aus Stanniol endet in Roth eine Jahrhunderte alte Fertigungs- und Wirtschaftstradition. Dort gab es einst mehrere Fabriken, die Lametta produzierten. Die Stadt war das Zentrum der sogenannten Leonischen Industrie, in der Feinmechaniker Metalldrähte und -fäden verarbeiteten – etwa zu Schmuck und Lametta.

In Yiwu wird 60 Prozent des weltweit verkauften Weihnachtsschmucks produziert

Übrig blieb nur das Unternehmen Riffelmacher & Weinberger. Die Firma verarbeitete einst bis zu 50 Tonnen Material jährlich, wie die Zeitung schreibt. Zuletzt seien es noch ein paar Hundert Kilo gewesen. Die Restbestände seien nun aber abverkauft. Mittlerweile wird der meiste Weihnachtsschmuck in China hergestellt. Zumeist in Yiwu in Ostchina.

Die Stadt, die rund 300 Kilometer südlich von Schanghai liegt, produziert inzwischen rund 60 Prozent des weltweit verkauften Weihnachtsschmucks. Über 600 Fabriken stellen dort alles her, was an Weihnachten gefragt ist: Von Lametta über Christbaumkugeln und Weihnachtsengeln bis zu den roten Weihnachtsmannkostümen. In Yiwu weihnachtet es das ganze Jahr lang, die Farbe Rot dominiert fast die gesamte Stadt. Trotzdem sind sich längst nicht alle der chinesischen Wanderarbeiter im Klaren darüber, was es mit diesem Weihnachtsfest auf sich hat.

„Vielleicht ist so etwas wie das chinesische Neujahr für Ausländer?“fragt der 19 Jahre alte Wei im Gespräch mit der chinesischen Webseite Sina. Er stellt zusammen mit seinem Vater überdimensionale rote Schneeflocken her – täglich 5000 Stück. Seine Haare und Hände sind gefärbt von dem karmesinroten Pulver, in das sie die Flocken tauchen müssen. Kittel, Wände und Boden, der ganze Arbeitsplatz ist von dem roten Färbemittel bedeckt. Weis Vater trägt eine rote Weihnachtsmannmütze, allerdings nicht, um in Festtagsstimmung zu kommen – sondern um sein Haar zu schützen.

In Deutschland hatte die Firma Riffelmacher & Weinberger das Rohmaterial von der hessischen Firma Eppstein Foils übernommen und daraus Lametta gefertigt. Eppstein Foils selbst stieg bereits Ende 2014 aus der Lametta-Produktion aus, wie Horst Fischer vom Vertrieb erzählt. Zum Schluss stellte die Firma nur noch zwei bis drei Tonnen im Jahr her, früher war es das Vielfache davon. „Aber es hat sich nicht mehr rentiert, das hängt sich ja niemand mehr an den Weihnachtsbaum“, sagt Horst Fischer. Früher sei die Lametta-Fertigung ein Hauptzweig der Firma gewesen, die nun vor allem Blei-und Zinkfolien herstellt.

Schon 1978 wusste Opa Hoppenstedt in Loriots Sketch „Weihnachten bei Hoppenstedts“: „Früher war mehr Lametta.“ Schon seit einigen Jahren werde Lametta kaum noch nachgefragt, heißt es in der Branche. „Lametta ist völlig out“, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbands für den gedeckten Tisch, Hausrat und Wohnkultur in Köln, Thomas Grothkopp. Das gelte schon seit einigen Jahren. Lametta sei für viele altmodisch, dazu komme der Trend zu nachhaltigeren Produkten wie Holzaccessoires.

Inzwischen warnt ein Tierschutzverein sogar vor Lametta

Inzwischen wird sogar vor Lametta gewarnt. Der Tierschutzverein Aktion Tier rät Katzenhalter zu besondere Vorsicht, falls sie Lametta an ihrem Christbaum hängen haben sollten. Katzen sind oft fasziniert von den glitzernden Schnüren und spielen damit. Wenn sie aber eine Schnur oder auch nur einige Teile davon verschlucken, können die Lamettafäden den Darm ziehharmonikaartig auffädeln, warnt der Tierschutzverein, die Katze könne daran sterben.

Doch ist wohl nicht der Grund, warum die wenigsten noch Lametta sehen wollen. Die größten Umsatzbringer beim Weihnachtsschmuck sind inzwischen Christbaumkugeln. Gut nachgefragt werden auch Kerzen, ein neuer Trend seien Lichterketten mit LED-Technik, berichtet der Bundesverband. Genaue Zahlen gebe es aber nicht. Der weitaus größte Teil der Weihnachtsartikel werde aber tatsächlich in Asien produziert. Und dort vor allem in Yiwu. (mit dpa)

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