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Literatur: Mini-Penis in Kinderbuch verhindert Erscheinen in USA

Ihre "Wimmel-Bücher" sind Kindern auf der ganzen Welt bekannt. In den USA wird Rotraut Susanne Berners Winter-Band aber nicht erscheinen, denn der Verlag Boyd Mills Press verlangt von der Autorin, einen gemalten Mini-Penis wegzuretuschieren.

Die "Wimmel-Bücher" der Münchner Illustratorin Rotraut Susanne Berner sind Kindern auf der ganzen Welt bekannt - doch in den USA wird ihr Winter-Band nicht erscheinen. Der Kinderbuchverlag Boyd Mills Press verlangte von der mit dem deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneten Autorin, bei einer nur 7,5 Millimeter großen gemalten nackten Männerstatue den Mini-Penis wegzuretuschieren. "Das ist so absurd, ich habe es nicht geglaubt", sagt die 58-Jährige. Deshalb musste sie auch erst einmal lachen, als die von dem "Stein des Anstoßes" erfuhr. Es handelt sich um ein winziges Detail einer Stadtszene: Im Dachgeschoss eines mehrstöckigen Hauses hatte sie eine Kunstausstellung gezeichnet , darunter auch einen gerahmten Frauenakt und den kleinen nackten Mann mit dem angedeuteten "Pimmelchen", wie Berner es bezeichnet.

Autorin will Grundpfeiler der Meinungsfreiheit wahren

Ihre Belustigung schlug um in Empörung. Die Münchner Autorin lehnte die Änderungen ab und für den Gerstenberg Verlag in Hildesheim platzte ein lukratives Geschäft. Nur selten schaffen deutsche Kinderbücher den Sprung über den Atlantik auf den attraktiven riesigen Markt. "Ich will nicht für etwas Läppisches zensiert werden", begründet Berner ihre Absage an den US-amerikanischen Kinderbuchverlag Boyds Mills Press. "Mir geht es darum, dass die Grundpfeiler der Meinungsfreiheit gewahrt bleiben." Der US- amerikanische Verlag war bislang für eine Stellungnahme zu dem Fall nicht zu sprechen.

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Ein weiterer Stein des Anstoßes ist ein winziges Detail einer Stadtszene: Im Dachgeschoss eines mehrstöckigen Hauses ist eine Kunstausstellung zu sehen - darunter auch ein gerahmter Frauenakt. -

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Besonders sauer ist die Illustratorin, weil der US-Verleger "ein sympathischer liberaler Mann" offenbar im vorauseilenden Gehorsam Fundamentalisten gegenüber die Zensur anordnete. "Es war eine rein kommerzielle Entscheidung. Der Mann sagte immer wieder, wie peinlich es ihm ist. Aber er sprach davon, dass es Leute gebe, die Bücher angucken und dann verhindern, dass sie von Buchhandlungen und Bibliotheken bestellt werden." Erst im Februar hatten US-Bibliotheken ein preisgekröntes Kinderbuch aus ihren Regalen verbannt, weil auf der ersten Seite das Wort "scrotum" (Hodensack) vorkam. Zuvor geriet selbst ein Band des weltweiten Bestsellers "Harry Potter" wegen angeblicher Bezüge zum Satanismus unter Beschuss der selbst ernannten Sittenwächter.

Verlag respektiert Entscheidung der Künstlerin

"Für uns ist das zwar traurig, aber wir können Frau Berner gut verstehen", sagte die Sprecherin von Gerstenberg, Andrea Deyerling. "Wir schätzen sie als Künstlerin und respektieren ihre Entscheidung." Erfolgreich ist Berner ohnehin. Bisher wurden allein die vier Jahreszeiten-Bände, mit viel Humor ausgeschmückte Alltagswelten für Kinder ab einem Jahr, rund 250.000 Mal in Deutschland und 130.000 Mal im Ausland verkauft, unter anderem in Japan, Schweden und auf den Färöer-Inseln.

In den Wimmel-Büchern wimmelt es von Menschen. Auf den Seiten mit Bahnhofs-, Marktplatz oder Schwimmbad-Szenen gibt es immer Neues zu entdecken. Neben den Akten hätte Berner auch Zigaretten und Pfeifen wegretuschieren sollen, denn unter den rund 80 Figuren ihrer Fortsetzungsgeschichten sind auch wenige Raucher. Die fallen aber im Gegensatz zu den drei Nonnen in Ordenstracht erst nach längerem Studium der Seiten auf. Zuvor gab es aus keinem Land Beanstandungen nur die Schweden bemängelten zu wenig Schnee im Winterbuch.

Rotraut Susanne Berner bereut ihre Absage nicht und ist froh, eine Diskussion ausgelöst zu haben. Andere Autoren vor ihr hätten sich zähneknirschend den Wünschen des amerikanischen Marktes gebeugt, berichtet sie. So habe Axel Scheffler schon vor 15 Jahren das Euter einer Ziege wegretuschiert. Ali Mitgutsch der Erfinder der Wimmel- Bücher sollte Bikini-Oberteile für seine Mädchen mit nacktem Oberkörper malen. (mit dpa)

Christina Sticht[dpa]

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