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Panorama: Loderne Flammen, brennende Fragen

ATHEN .Über 130 000 Hektar Waldland gingen in den vergangenen acht Wochen in Griechenland in Flammen auf, mehr als doppelt so viel wie im ganzen vergangenen Jahr.

ATHEN .Über 130 000 Hektar Waldland gingen in den vergangenen acht Wochen in Griechenland in Flammen auf, mehr als doppelt so viel wie im ganzen vergangenen Jahr.Über die Ursachen der Katastrophe gibt es bisher nur Spekulationen."Hier, sieh mal", sagt der Feuerwehrmann Theodoris und hebt den kleinen, rußgeschwärzten Blechbehälter aus der Asche.Solche Propangaskapseln kann man in jedem griechischen Supermarkt kaufen.Fünf solcher Behälter hat Theodoris bisher im eingeäscherten Wald bei Palea Penteli gefunden."Zufall?", fragt er.

"Sicher, daß es sich um Brandstiftung handelte", als der schon gelöscht geglaubte Waldbrand an den Ausläufern des Penteli-Massivs bei Athen am Donnerstag morgen an vier Stellen gleichzeitig wieder aufflammte, ist sich auch der griechische Polizeiminister Jorgos Romaios.Außer den Gasbehältern haben seine Beamten noch andere verdächtige Indizien zwischen den schwarzen Baumgerippen sichergestellt: die Überreste von Zündvorrichtungen, Benzinkanistern und Leuchtkugeln.

Die Oppositionsparteien und große Teile der griechischen Presse richten ihre Kritik nun auf den sozialistischen Minister, dem auch die Feuerwehren unterstehen.Die Konservativen fordern seinen Rücktritt, und auch Ministerpräsident Kostas Simitis soll seinen Hut nehmen."Die Regierung schläft", stellte Oppositionsführer Kostas Karamanlis fest.Der Staat habe sich als unfähig erwiesen, "ein vorhersehbares Verbrechen gegen die Gesellschaft und die Natur zu verhindern", kommentierte die konservative Zeitung Kathimerini.Der Premier hatte zwar am Dienstag für 24 Stunden seinen Urlaub unterbrochen und sich in einem Armeehubschrauber über das brennende Attika fliegen lassen, befand dann aber, der Waldbrand sei von den Medien aufgebauscht worden.

Bei den Betroffenen sorgte diese politisch ungeschickte und psychologisch nicht eben einfühlsame Beschwichtigung für verständlichen Zorn.Fünf Tote, mehr als hundert abgebrannte Gebäude, fast 8000 Hektar eingeäscherte Wälder, lodernde Flammen selbst in den Vororten Athens, machtlose Feuerwehren: eine solche Katastrophe hat es in der griechischen Hauptstadtprovinz bisher noch nicht gegeben.

Tatsächlich muß sich die Regierung fragen lassen, ob es klug war, in diesem Frühjahr die bisher teils bei den Forstbehörden liegende Zuständigkeit für die Bekämpfung von Waldbränden gänzlich den Feuerwehren zu übertragen.Deren Männer verfügen, bei aller Einsatzbereitschaft, offenkundig nicht über die Erfahrung im Umgang mit solchen Feuern.Als fatal erwies sich nun auch, daß die Regierung seit Jahren die Anschaffung neuer Löschflugzeuge immer wieder hinausschiebt.Die 15 zur Verfügung stehenden Maschinen des Typs Canadair CL-215 können mit ihren altertümlichen Kolbenmotoren bei Temperaturen von über 38 Grad nicht fliegen und haben wegen ihres hohen Treibstoffverbrauchs nur einen kleinen Aktionsradius.Nach Löschflugzeugen aus Italien und Rußland sollen daher ab Sonnabend auch vier Spezialhubschrauber der Bundesluftwaffe mit 35 Mann Besatzung bei der Brandbekämpfung helfen.

Ergebnislos blieb bisher die Suche nach den Brandstiftern, die der Hauptstadtprovinz Attika dieses Inferno bescherten.Fünf Verdächtige wurden zwar festgenommen, mußten aber wieder auf freien Fuß gesetzt werden.Ihr Motiv glaubt man zu kennen: Bodenspekulation."Wertloses" Waldland versuchen sie mit einem Streichholz in lukrativen Baugrund zu verwandeln.Zwar beteuert die Regierung, abgebrannte Wälder würden in keinem Fall als Bauland ausgewiesen, aber die Praxis sieht anders aus.Daß es aber allein Bodenspekulanten sind, die jetzt zündeln, ist schwer zu glauben.Die meisten Brände brachen an mehreren Stellen gleichzeitig aus.Das läßt eine sorgfältig geplante, konzertierte Aktion vermuten.Auch ein Anfang der Woche am Rand der Luftwaffenbasis von Tatoi ausgebrochenes Feuer paßt nicht ins gängige Bild."Geheimdienste" und "Feinde des Landes" sieht der griechische Justizminister Evangelos Jannopoulos am Werk - ein Fingerzeig auf die benachbarte Türkei? Völlig von der Hand zu weisen ist dieser Verdacht nicht, wie die jüngsten Untersuchungen der Verbindungen zwischen dem Sicherheitsapparat und dem organisierten Verbrechen in der Türkei zeigen.Bei diesen Ermittlungen wurden inzwischen mehrere Fälle aktenkundig, in denen Berufskriminelle von türkischen Diensten als Brandstifter und Bombenleger nach Griechenland eingeschleust wurden, um den Tourismus zu schädigen.

GERD HÖHLER

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