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Hightech-Mülleimer wie dieser können zwar Smartphone-Daten in den Taschen von Passanten lesen und speichern - dürfen das aber nicht mehr.

© AFP

London: Mülltonnen zapfen Smartphones der Passanten an

Mülltonnen in den Straßen von London haben den Smartphones der Passanten Informationen entnommen, um blitzschnell auf dem Bildschirm individuell zugeschnittene Werbung zu zeigen.

Londons Einwohner hatten für eine kurze Zeit eine neue Art von Überwachung zu fürchten: W-LAN ermöglichte Mulleimern, die Daten von Smartphones vorbeilaufender Passanten zu lesen und zu speichern. Die City of London hat jetzt von der Firma gefordert, sofort mit der Datensammlung aufzuhören.

Cookies aus dem wirklichen Leben

Die Londoner Werbefirma Renew hat Mülltonnen mit Bildschirmen entwickelt, um Passanten Werbung zu zeigen. Die Tonnen wurden als Vorbereitung für die Olympischen Sommerspiele 2012 errichtet. Die Bilder wechseln alle paar Sekunden. Dabei müssen sie fünf Prozent der Zeit ihrem Informationsauftrag nachkommen und Informationen der Stadt zeigen.

Ein anderer Unternehmer, Presence Aware, hat eine Technik entwickelt, um Telefon-Daten von vorbeigehenden Smartphone-Nutzern auszulesen – was sie als „Orbs“ bezeichneten. 12 der 100 Eimer in der Londoner Innenstadt waren im Juni mit dieser Technik ausgestattet. Das heißt, sie können den Hersteller und das Modell des Smartphones feststellen, sowie die Richtung und Geschwindigkeit des vorbeilaufenden Besitzers. Sie speichern zudem die sogenannte MAC-Adresse, ähnlich der IP-Adresse bei Computern, und können erkennen, wenn der gleiche Smartphonebesitzer wieder vorbeikommt – aber nicht den Namen oder die Adresse des Besitzers.

In einer Pressemitteilung vom 6. Juni sagte Renew CEO Kaveh Memari, “Mit der Renew-Orb-Technik werden wir die Straßen cookien“, in Anspielung auf die sogenannten Cookies bei Internet-Browsern, die Nutzerinformationen speichern.

In der EU ist es für Webseiten Pflicht, Besucher darüber zu informieren, wenn Cookies auf ihrem Computer gespeichert werden. Bis jetzt gibt es keine Regeln für Smartphones und andere WLAN-taugliche Geräte bezüglich solcher „Cookies aus dem wirklichen Leben“.

Was möglich ist, ist nicht immer moralisch

Nach einem Artikel des Geschäftsmagazins "Quartz" hat Renew-CEO Kaveh Memari behauptet, dass diese Art des Datenspeicherns völlig legal sei, weil es anonym ist. Es sei auch freiwillig: Menschen könnten ihre Smartphones online abmelden, sodass ihre Daten nicht gespeichert werden, oder einfach die WLAN-Funktion ausschalten.

Trotzdem gab es einen öffentlichen Aufschrei gegen die „Späh-Tonnen“, nachdem der Artikel in "Quartz" Londons Bürger auf die Tonnen aufmerksam gemacht hat. Die City of London Corporation hat am Montag nochmals klargestellt: „Unabhängig davon, was technisch möglich ist, muss alles, was auf der Straße geschieht, mit Vorsicht getan werden, mit der Zustimmung einer informierten Öffentlichkeit.“

Die Idee hinter der „Smart-Tonne“ ist die Möglichkeit, kundenspezifisch Passanten Werbung zu zeigen. Zum Beispiel, wenn das Gerät aus den Smartphone-Daten herausliest, dass ein bestimmter iPhone-Besitzer jeden Tag zehn Minuten in einem bestimmten Kaffeeladen verbringt, könnte die Tonne ihm eine Werbung für einen anderen Laden zeigen. Es gibt in der Zukunft auch die Möglichkeit, die ganzen Kundendaten an Unternehmern zu verkaufen.

Renew rudert zurück

Das "Quartz"-Magazin vergleicht die personalisierte Werbungen mit einer Szene aus dem Sci-Fi Film „Minority Report“, aber Memari hat am Montag in einem öffentlichen Brief geschrieben, dass diese Spekulation übertrieben sei. „Ich befürchte, dass es im Interesse einer guten Schlagzeile eine Betonung auf Stil anstatt auf Inhalt gab, was unsere Technik spannender macht als sie eigentlich ist“, schrieb er. „Wir würden niemals den Prinzipien des Datenschutzes zuwiderhandeln und wir sind nicht in der Lage, persönliche Daten zu erhalten oder zu veröffentlichen.“

Mittlerweile sind die Daten-sammelnden Abfalleimer nicht länger im Einsatz. „Es ist unsere feste Absicht, weitere Entwicklungen öffentlich zu diskutieren und mit Datenschutzgruppen wie EFF (Electronic Frontier Foundation) zusammenzuarbeiten“, hieß in dem Brief.

Alison Haywood

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