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Ein Fehler im südenglischen Luftkontrollzentrum Swanwick führte am Wochenende zu hunderten Flugausfällen und Verspätungen – wie hier in Heathrow.

© REUTERS

Londons Flughäfen: Rasender Stillstand

Die Airports der britischen Hauptstadt sind komplett ausgelastet. Pannen führen daher schnell zu erheblichen Verspätungen - wie jetzt am Wochenende nach einem Fehler im Luftkontrollzentrum im südenglischen Swanwick.

„Cancelled“ – so lautete auf den Anzeigetafeln der fünf Londoner Flughäfen auch am Sonntag häufig die Auskunft, nachdem auf den Airports der britischen Hauptstadt am Vortag chaotische Zustände geherrscht hatten. Unter anderem wurden Flüge von Heathrow nach Ottawa und Dallas/Ft. Worth gestrichen, andere Verbindungen wurden um Stunden verschoben. Aber im Großen und Ganzen meldeten die Flughäfen am Sonntag einen normalen Tag, wie gewohnt flogen die Maschinen wie an einer unsichtbaren Kette aufgereiht wieder am blauen Himmel zum Landeanflug entlang der Themse über London. Über Nacht war Ruhe eingekehrt. Am Samstag um 19.30 Uhr war der Computerfehler, der den Flugverkehr über Südostengland für 14 Stunden zum Schneckentempo verdammt hatte, endlich behoben. Verantwortlich für die Störung war eine Panne im Luftkontrollzentrum im südenglischen Swanwick.

„Offenbar gibt es Kommunikationsprobleme bei den Fluglotsen. Sitze in München in BA947 nach LHR (London Heathrow), wir müssen vermutlich vier Stunden auf die Startgenehmigung warten. Macht mich gar nicht froh. Werde die Hochzeit eines meiner besten Freunde verpassen“, schrieb Fluggast „patentobviously“, ein Patentanwalt, im Chatroom „Flyerstalk“. Ähnliche Botschaften wurden am Samstag zu Tausenden per Twitter, E-Mail und Facebook verschickt.

Die Panne war geschehen, als die 25 Fluglotsen der Nachtschicht in dem hypermodernen Flugleitzentrum Swanwick die Übergabe an die 125 Fluglotsen der Tagschicht vorbereiteten. Dabei ließ sich das System nicht umstellen. Tagsüber, wenn die Mehrzahl der dort täglich abgewickelten 5000 Flugbewegungen anfällt, wird das Leitgebiet in mehrere Sektoren aufgeteilt. Nachts, wenn nur ein paar Dutzend Flüge geleitet werden müssen, sind diese Sektoren zusammengelegt. „Wir hatten am Samstagmorgen ein technisches Problem und konnten das Funk-Sprechsystem nicht auf die Sektoren aufteilen. Die Sicherheit wurde zu keinem Zeitpunkt gefährdet“, erklärte ein Sprecher der teilprivatisierten Luftleitbehörde Nats das Missgeschick.

Die Folge: Start- und Landekapazitäten an allen Flughäfen wurden drastisch reduziert. In Heathrow, dem Flughafen mit den meisten Start- und Landebewegungen in der Welt, wo normalerweise alle 90 Sekunden ein Flugzeug starten kann, musste der Startabstand auf fünf Minuten ausgeweitet werden. 180 Flüge wurden gestrichen, für andere gab es teilweise enorme Verspätungen. In Gatwick fielen 90 Flüge aus. Verspätungen an allen Flughäfen dauerten zwischen 30 Minuten und drei Stunden.

Swanwick macht zum wiederholten Mal Negativ-Schlagzeilen. Auch 2008, als bei einem ähnlichen Computerzusammenbruch riesige Verspätungen zustande kamen, wurden „Probleme mit der Funkkommunikation“ als Ursache genannt. Kein Wunder, dass die Verantwortlichen des Billigfliegers Ryanair, wo am Samstag 100 Flüge gestrichen werden mussten oder Verspätung hatten, ihrem Ärger Luft machten: „Wir wissen, dass Fehler vorkommen, aber wo sind die Ersatzsysteme? Dies ist einfach nicht gut genug, und die Zivile Luftfahrtbehörde CAA muss nun handeln“, hieß es in einer Erklärung. Ryanair forderte die Luftfahrtbehörde auf, „zu intervenieren und weiteres Chaos für Tausende von Passagieren zu verhindern“.

Das wird nicht so einfach sein. Der Londoner Flugverkehr ist und bleibt verwundbar – einfach deshalb, weil alle Flughäfen am Rande der Kapazitäten operieren und die geringste Störung sofort einen Dominoeffekt auslöst. Ob es Probleme mit den Gepäckbändern sind wie beim legendären Eröffnungschaos am inzwischen sehr beliebten Heathrow-Terminal 5, ob Vulkanasche die Pilotensicht behindert, ob die Passkontrollen schlecht funktionieren oder ob Piloten streiken – sobald im Räderwerk ein Sandkörnchen auftaucht, ist Chaos einprogrammiert.

„London braucht mindestens drei Heathrows“, argumentieren Wirtschaftsverbände und die Londoner Stadtplaner. Vor allem in Heathrow, wo tagtäglich 98,8 Prozent der Kapazitäten ausgelastet sind, ist der Druck spürbar. Im Oktober kamen durch die fünf Terminals von Heathrow 6,3 Millionen Passagiere – 4,6 Prozent mehr als 2012. Die fünf Hauptstadt-Flughäfen City London, Stansted, Luton, Gatwick und Heathrow fertigten 2012 zusammen 134 Millionen Passagiere ab – und diese Zahl wird sich bis 2030 auf über 300 Millionen erhöhen. Deshalb dringt Londons Bürgermeister Boris Johnson auf den Bau einer neuen Flugdrehscheibe mit vier Landebahnen in der Themsemündung.

Matthias Thibaut

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