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Lotto-Jackpot: Zum Glück sind es 38 Millionen

Psychologen erklären das irrationale Lottofieber mit der Ausschüttung von Hormonen. Doch die Euphorie endet schnell.

Die Vorstellung, von einem Tag auf den anderen 38 Millionen Euro auf dem Konto zu haben, lässt auch den abgebrühtesten Rationalisten schwach werden.

Wenn jetzt am Samstag der größte deutsche Jackpot aller Zeiten ausgelost wird, werden auch Menschen mitspielen, die sich bislang immer – und zwar zurecht – von ihrer Vernunft haben leiten lassen. Denn die Wahrscheinlichkeit, sechs Richtige zu tippen und dazu noch die richtige Superzahl, liegt bei etwa 1:140 Millionen, oder anders gesagt: Wer für Samstag keinen Lottoschein ins Rennen geschickt hat, hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Geld gespart.

Trotzdem lassen sich die Deutschen vom Lottofieber anstecken – je größer die Gewinnsumme, desto mehr Menschen spielen mit. Dabei müsste der Ansturm auf die Annahmestellen für Menschen mit kühlem Kopf ein Grund mehr sein, die Finger vom Glücksspiel zu lassen, weil die Chance auf einen Alleingewinn mit jedem zusätzlichen Spieler sinkt.

Warum viele dennoch so unvernünftig handeln, erklärt Gerhard Meyer, Leiter der Abteilung für Angewandte Glücksspielforschung an der Universität Bremen so: „Einerseits machen sie eine irrationale Kosten-Nutzen-Abwägung, bei der auf der einen Seite der geringe Einsatz und auf der anderen die astronomische Gewinnsumme steht – andererseits regt allein die Teilnahme am Lotto das Belohnungszentrum im Gehirn an, weil der Spieler sich mit den Wünschen, die er sich damit erfüllen könnte, beschäftigt.“ Während der Mensch sich mit etwas Schönem auseinandersetzt – sich also vorstellt, wie er als Lottogewinner auf einer Segelyacht die Ozeane durchkreuzen oder sich am Pool seiner Luxusvilla rekeln würde – sind entsprechende Areale im Gehirn aktiv. Das führt zur Ausschüttung von Glückshormonen. „Ob derjenige nachher gewinnt oder nicht, ist für dieses Glücksgefühl völlig unerheblich“, erklärt der Psychologe. Genau darin liegt auch die Gefahr beim Glücksspiel: „Spielsüchtige wollen diesen Nervenkitzel immer wieder erleben und verspielen Unmengen an Geld, nur damit ihr Belohnungszentrum weiter angeregt wird.“ Negative Gefühle, wie die Enttäuschung über das verlorene Geld, werden dabei von den kurzfristigen Glücksgefühlen überlagert. „Beim Lotto ist die Suchtgefahr aber geringer als zum Beispiel bei Spielautomaten“, sagt der Psychologe. Das liegt daran, dass die Zeitspanne, bis eine Spielrunde abgeschlossen ist, beim Lotto mehrere Tage beträgt. „Ein Spielsüchtiger kann so einen Zeitraum gar nicht aushalten und will den Kick im Sekundentakt.“ Deshalb hätten auch nur 0,33 Prozent der reinen Lottospieler ein Suchtproblem – bei den Automatenspielern seien es immerhin acht Prozent.

Eine andere etwas außergewöhnliche Erklärung für das Lottofieber lieferte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle am Mittwoch in der Generaldebatte des Bundestags: „Die Deutschen haben das Gefühl, dass der Aufschwung bei ihnen nicht ankommt“, sagte der Politiker. Sie „wollen sich ihre Aufschwungdividende jetzt selbst holen und sagen: ,Beim Lotto gewinnt vielleicht einer, bei Schwarz-Rot gewinnt keiner‘. Im Vergleich zu Ihrer Politik sehen die Menschen im Lotto fast schon eine sichere Form der Vermögensbildung.“

Psychologen warnen davor, alle Hoffnungen in einen Lottogewinn zu stecken. Die größte Enttäuschung daran ist, dass Lotto selbst dann nicht nachhaltig glücklich macht, wenn man gewinnt. „Studien aus den USA haben gezeigt, dass die anfängliche Euphorie schnell verfliegt“, sagt Meyer. Zum Teil seien Lottogewinner sogar in Depressionen verfallen, weil sie von der neuen Lebenssituation überfordert waren. Denn wer plötzlich mit 38 Millionen Euro dasteht, muss sein Leben völlig neu strukturieren. Und sich vor allem neue Ziele setzen.

Dagny Lüdemann

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