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Panorama: Luftverkehr: Fliegen in Zeiten des Terrors

Von Berlin nach New YorkBombendrohung am Flughafen Tegel, meldet eine Frauenstimme aus der Funkzentrale. "Soll ich Sie trotzdem hinfahren?

Von Berlin nach New York

Bombendrohung am Flughafen Tegel, meldet eine Frauenstimme aus der Funkzentrale. "Soll ich Sie trotzdem hinfahren?", fragt der Taxifahrer. Wer in diesen Tagen nach New York will, den halten auch solche abschreckenden Nachrichten nicht von der Reise ab. Feuerwehr und Polizei stehen vor der Abflughalle, doch die Menschen, die am Mittwoch früh vor dem Flughafen stehen, geben sich gelassen.

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Drinnen, am Schalter zehn, stehen die Passagiere für den KLM-Flug nach Amsterdam um 7.05 Uhr, wenige Meter weiter hat die Polizei Absperrbänder durch die Halle gezogen, die Reisenden beachten sie kaum. Von Angst ist hier wenig zu spüren. Im Gegenteil: Die Mitarbeiter an der Sicherheitskontrolle sind auch zu dieser frühen Stunde ausgesucht freundlich, und jene Fluggäste, deren Handgepäck stichprobenmäßig geöffnet wird, wissen die erhöhte Aufmerksamkeit, die ihnen zuteil wird, offenbar zu schätzen. Von erhöhten Sicherheitsvorkehrungen ist in Tegel aber nichts zu spüren. Trotz Bombendrohung sind die Warteschlangen kurz und die Abfertigung geht schnell vonstatten.

Zur selben Zeit wartet Al Vancammen mit seiner Frau Carol am Flughafen in Athen auf den Flug, der sie via Amsterdam über den Atlantik bringen soll. Wegen der Terroranschläge in New York hat das Ehepaar aus Edison, New Jersey, seinen Griechenland-Urlaub verlängern müssen. Von den dramatischen Ereignissen in den USA hatten sie am Dienstag erfahren, als sie von einen Ausflug in ihr Hotel zurückkehrten. Der für vergangenen Sonnabend geplante Rückflug fiel aus, vier Tage saßen sie fest.

Eine halbe Nacht auf dem Athener Flughafen haben die Vancammens hinter sich. Um 11.30 Uhr haben sie in Amsterdam endlich die Maschine mit der Flugnummer KL 657 nach Newark erreicht. Eine Boeing 767, der selbe Typ, von denen sich vor mehr als einer Woche zwei Flugzeuge in die Twin Towers bohrten. "Mein Sohn hat bis vor fünf Jahren selbst für Dean Witter im World Trade Center gearbeitet", erzählt der 68-jährige Ingenieur. Sein Blick sagt: Es hätte jeden treffen können.

Al Vercammen schenkt sich aus der kleinen Flasche nach, die er sich von der Stewardess hat kommen lassen. Um diese Tageszeit sei es sonst nicht seine Art, Rotwein zu trinken, versichert er. Seine Frau nickt, aber sie zeigt Verständnis für ihren Mann. Ganz leicht sei es ihnen beiden nicht gefallen, heute in ein Flugzeug zu steigen, sagen sie. Ein Gläschen Wein mag zwar helfen, das flaue Gefühl über den Wolken zu vermindern, doch beim Anflug auf den Zielflughafen meldet es sich doch wieder mit aller Macht zurück.

Über die Schulter seiner Frau sieht Al aus dem Fenster in den strahlend blauen Himmel und hält Ausschau nach Manhattan - und dem Loch, das die Terroristen in die Südspitze der Stadt gerissen haben. An Bord der Maschine sitzen Menschen aller Hautfarbe, und sie alle recken die Hälse, als wollten sie sich versichern, dass das Unbegreifliche wirklich geschehen ist. Wenige Minuten später berührt die Boeing amerikanischen Boden. "Ich bin froh, wieder zu Hause zu sein", sagt Al Vancammen. (Stephan Wiehler, New York)

Von New York nach Frankfurt

Für nicht wenige USA-Touristen ist aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten zumindest in der ersten Woche nach den verheerenden Anschläge auf das World Trade Center ein Land der höchst beschränkten Ausreisemöglichkeiten geworden. Ging zunächst gar nichts, weil Flughäfen und Luftraum gesperrt waren, so sollten später vor allem diejenigen betroffen sein, die eine amerikanische Airline gewählt hatten.

Der Autor dieser Zeilen etwa hatte seinen Rückflug ursprünglich für den Unglückstag bei Delta Airlines gebucht, immerhin die drittgrößte Fluggesellschaft der USA. Die Erfahrungen, die er dann mit Delta machen mußte, reichten aus, um ihn ein breites Spektrum an Empfindungen von anfänglichem Verständnis über zunehmende Frustration bis hin zu offener Wut durchleben zu lassen. Nicht nur, dass auf der Website des Unternehmens Flüge, die längst gestrichen waren, noch als "pünktlich" geführt wurden. Immer wieder wurde der Rückflug nach Europa verschoben, unter anderem mit der Erklärung, dass man zunächst die Passagiere befördern würde, die einen späteren Termin gebucht hätten. Statt den durch die terroristischen Anschläge entstandenen Rückstau an ausgefallenen Flügen abzubauen, zäumte Delta das Pferd offensichtlich lieber von hinten auf. Was in meinem Fall dazu führte, dass ich zusätzlich Geld in einen Lufthansa-Flug investierte.

Weitaus größeres Unverständnis als über diesen mangelnden Kundenservice aber sollte die Art und Weise hervorrufen, in der am New Yorker John F. Kennedy-Airport die von der US-Regierung neu verfügten Sicherheitsstandards umgesetzt wurden. Denn von extrem strengen Sicherheitschecks konnte keine Rede sein. So erschöpfte sich bei der Gepäckaufgabe am Lufthansa-Schalter die vermeintlich neue Kontrolle in den üblichen Fragen, etwa ob man sein Gepäck selbst gepackt oder vielleicht unbeaufsichtigt gelassen habe. Fragen, über die jeder potenzielle Attentäter in schallendes Gelächter ausbrechen dürfte.

Nicht viel anders verhielt es sich auch bei der anschließenden Kontrolle des Bordgepäcks. Zwar hatten sich hier mehr Polizeibeamte versammelt, als das sonst der Fall ist. Statt aber zu untersuchen, diskutierten sie lieber bei einem Becher Kaffee, ob und wann denn die US-Fußball-Liga Major Soccer League wieder den Spielbetrieb aufnehmen solle. Alles in allem jedenfalls benötigte man gerade etwa 15 Minuten, um zumindest schon einmal den Bereich der Flugsteige zu betreten.

Und auch an Bord des Lufthansa-Fluges LH 407 nach Frankfurt sollte man ohne größere Schwierigkeiten gelangen. Zwar mußte man zunächst einen grimmig blickenden Cop passieren. Dessen investigativer Eifer aber beschränkte sich darauf, mit einem flüchtigen Blick das Aussehen mit dem Paßfoto des jeweiligen Passagiers zu vergleichen. Wenn man dann auch noch auf die Frage, welchen Beruf man denn ausübe, mit einem "Journalist" antwortete, war das hauchdünne Eis des Mißtrauens endgültig gebrochen. Mit einem "have a safe trip", "ich wünsche Ihnen einen sicheren Flug", entließ der freundliche Beamte dann den Fluggast. Sicher habe ich mich deshalb nicht gefühlt. (Andreas Kötter, New York)

(Stephan Wiehler[New York)]

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