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Smogalarm. Viele Menschen in Peking gehen nur noch mit Mundschutz auf die Straße.

© AFP

Luftverschmutzung in China: Im Kessel von Peking

Chinas Hauptstadt ist berüchtigt für schlechte Luft – aber so schlimm wie am Wochenende war es noch nie. Die Smogbelastung nimmt unbeschreibliche Ausmaße an.

Chris Buckley verdient mit Pekings schlechter Luft gutes Geld. „Schlechte Luft ist die Basis meines Geschäftes“, gibt der Brite zu, was aber nicht bedeutet, dass er froh wäre über die Luftverschmutzung in Chinas Hauptstadt, im Gegenteil. „Ich würde mich hassen, wenn ich über die schlechte Luft hier glücklich wäre“, sagt er, „ich hoffe, dass das, was ich mache, den Menschen in Peking das Leben erleichtert.“ Chris Buckley verkauft den Pekingern Luftreiniger. „Das Geschäft läuft leider gut“, sagt er, und seit dem vergangenen Wochenende dürfte es noch besser laufen.

Peking hat in den vergangenen drei Tagen eine Luftverschmutzung unbeschreiblichen Ausmaßes erlebt. „Der Index ist explodiert“, schrieben die chinesischen Zeitungen. Am Samstag übertrafen die Pekinger Luftwerte 18 Stunden lang den auf ein Maximum von 500 begrenzten US-amerikanischen Luftqualitätsindex. Unfassbare 755 zeigte die Messung auf dem Dach der US-amerikanischen Botschaft im Pekinger Bezirk Chaoyang am Samstagabend um 20 Uhr an. Werte zwischen 300 bis 500 gelten als gefährlich, alles darüber ist bislang nicht definiert. „Postapokalyptisch“ lautete ein Vorschlag auf Twitter. Eine Handy-App, bei der sich die Pekinger über aktuelle Luftwerte informieren, führte Begriffe wie „oh mein Gott, was zum Teufel“, „zu viel für diese kleine App“ oder „flieht nach Bali“ ein.

Chinesische Medien berichteten von längeren Schlangen vor den Kinderkrankenhäusern. „Wir sind mit unserem Kind gestern in den Park gegangen. Seit wir zurück sind, muss es ständig husten“, berichtet ein Vater der Zeitung „Fazhi Wanbao“ über seine erst zweijährige Tochter. Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Herzerkrankungen zählen zu den Personengruppen, die bei hohen Feinstaubwerten besonders gefährdet sind.

„Es war so schlimm, dass ich Schwierigkeiten beim Atmen hatte“, berichtete der Greenpeace-Aktivist Zhou Rong der „South China Morning Post“. Er könne sich an keinen Tag mit einer größeren Verschmutzung erinnern. Und Peking hat schon viele verschmutzte Tage erlebt.

Als Chris Buckley im Jahr 2000 nach Peking kam, entwickelte er innerhalb von sechs Monaten Asthma. „Ich war schockiert“, sagt der Brite, „ich hatte das vorher nie gehabt“. Auch in seiner Familie war diese Krankheit zuvor nie aufgetreten. Er machte die schlechte Pekinger Luft für seine Beschwerden verantwortlich und begann sich näher damit zu beschäftigen. „Seit ich die Luftreiniger im Schlafzimmer habe, wache ich nicht mehr nachts mit Atemnot auf“, sagt er. Ursprünglich hat er in seinem „Torana Center“ handgeknüpfte Teppiche aus Tibet verkauft, inzwischen macht er das nur noch als Hobby. Stattdessen brummt das Geschäft mit schwedischen Luftreinigern. Zuletzt eröffnete er in Shunyi und im Central Business District zwei neue Standorte.

Die Ursachen für Pekings Luftverschmutzung sind zahlreich. Die Zahl der Autos auf Pekings notorisch verstopften Straßen hat sich innerhalb von vier Jahren von drei Millionen auf fünf Millionen erhöht. Immer noch stammen 78 Prozent von Chinas Energie aus Kohlekraftwerken. Zwar hat Peking vor den Olympischen Spielen 2008 die schlimmsten industriellen Luftverschmutzer aus dem Stadtgebiet verbannt. Doch die Industrie der umliegenden Provinzen Tianjin, Hebei, Innere Mongolei und Shanxi produziert Unmengen von Schadstoffen, die vom Wind nach Peking getrieben werden können. Aufgrund der Kessellage der Stadt staut sich die verschmutzte Luft vor den umliegenden Bergen. Nur Nordwind oder langanhaltender Regen kann die Stadt von dem Dreck befreien.

Wie gefährlich der Feinstaub ist, hat unlängst eine Greenpeace-Studie erhoben. Demnach sind in den Städten Peking, Shanghai, Xian und Guangzhou mindestens 8572 Menschen 2011 wegen der Luftverschmutzung vorzeitig gestorben. Allerdings hatten die Forscher nicht Zugang zu allen Daten, weshalb die tatsächliche Zahl größer sein dürfte. Chris Buckley macht aufgrund einer britischen Studie eine andere Rechnung auf. Wer als Ausländer rund sieben Jahre in Peking lebe, verliere wegen der Luftverschmutzung im Schnitt rund ein Jahr an Lebenserwartung, sagt der Brite, „wer sein ganzes Leben in Peking verbringt, verliert rund sieben oder acht Jahre.“ Keine gute Nachricht für die rund 22 Millionen Pekinger. Zumal China bis 2020 sein Bruttoinlandsprodukt verdoppeln will.

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