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Panorama: „Madrid ist im Himmel“

Heute heiraten Felipe und Letizia. Spanien feiert sie wie ihre Fußballstars – mit dem ganz großen Finale

Eine ganze Nation scheint dem Hochzeitsrausch verfallen: Schon am Tag vor der heutigen „Jahrhunderthochzeit“ in Madrid zwischen Thronfolger Felipe (36) und seiner bürgerlichen Letizia (31) herrscht auf den Straßen der spanischen Hauptstadt Volksfeststimmung.

Hunderttausende drängeln sich auf jenen fürstlich geschmückten Prachtstraßen, über welche die beiden am heutigen Samstagmittag nach ihrem Ja-Wort im gepanzerten Rolls Royce rollen werden. „Es ist Zeit, um Madrid nach dem Attentat vom 11. März wieder die Freude zurückzubringen“, geben die Hochzeitsorganisatoren des madrilenischen Rathauses das Motto vor. Die Untertanen nehmen diese Fanfaren mit Begeisterung auf: Die kollektive Trauer um die 192 Toten des schwersten Terroranschlags der spanischen Geschichte wird durch den kollektiven Hochzeitswahnsinn abgelöst. Eine Art „öffentliche Trauertherapie“, sagen Psychologen.

Die Polizeiarmee, die eigentlich aufpassen soll, dass der edlen Gästegesellschaft und den für heute erwarteten eine Million Untertanen auf den Straßen kein Haar gekrümmt wird, verlor angesichts dieses Taumels vorübergehend die Kontrolle: 50 Menschen wurden verletzt, als in der Nacht 300 000 Schaulustige Madrids Zentrum einnahmen, weil sie das Blumenmeer und das Licht-Laser-Spektakel zu Ehren des Prinzenpaares bewundern wollten.

„Madrid im Himmel“, dichtet die nationale Presse. Die Mega-Hochzeit erinnert zunehmend an eine Jubelfeier der Fans von Real Madrid, auch wenn die „Königlichen“ um David Beckham dieses Jahr mangels Fußballsiegen nichts zu feiern haben. Ein Ereignis des Adels und des Volkes, dessen Stellenwert bei den Klatschgazetten nur noch von der Hochzeit des britischen Thronfolgers Charles und Diana Spencer 1981 übertroffen worden war. So bleibt denn bei dieser Hochzeit nichts – bis auf den Kuss nach dem kirchlichen Ja-Wort – dem Zufall überlassen. Der Rest wird vom königlichen Protokoll, Dramaturgen und dem Willen der Madrider Stadtväter bestimmt, aus Madrid eine „ganz große Marke“ zu machen. Es geht um Einschaltquoten, Werberechte und das touristische Marketing der spanischen Hauptstadt, die sich in diesen Tagen aufwendig geliftet zeigt und sich mittelfristig Milliardeneinnahmen durch den „Hochzeitseffekt“ verspricht. Damit auch alles wie am Schnürchen klappt, wurde im Palast und in der Kathedrale tagelang für das königliche Schauspiel geprobt. Den Gesichtern der Verlobten entkommt schon seit Tagen niemand mehr in Madrid. Sie sind auf Plakaten, an Souvenirständen, auf Briefmarken und Lotterielosen zu sehen. Die Zeitungen diskutierten ausgiebig die mögliche Menüfolge beim Hochzeitsmahl sowie bei einem Abendessen am Freitagabend mit 400 geladenen Gästen. Die Chefköche ließen sich jedoch keine Einzelheiten entlocken.

Sogar der Name der Braut ist in Mode gekommen. Dutzende Eltern nannten ihre neugeborenen Töchter Letizia, auch wenn das Z in der Mitte eigentlich auf den Schreibfehler eines Standesbeamten zurückzuführen ist. Normalerweise schreibt sich der Name in Spanien nämlich „Leticia“.

Zum Bankett im Königspalast an diesem Samstag werden 1400 Gäste erwartet, darunter Staatschefs und Vertreter von Königshäusern aus der ganzen Welt. Am Freitag traf unter anderen der ehemalige südafrikanische Präsident Nelson Mandela in Madrid ein. Für die Sicherheit des Paares und seiner Gäste sollen rund 20 000 Polizisten und Soldaten sorgen. Das Rathaus wollte sich zu den Kosten der Großveranstaltung nicht äußern, die Zeitung „El Pais“ ging jedoch von einer Rechnung über insgesamt 20 Millionen Euro aus.

„Am 11. März war die spanische Hauptstadt der Ort sehr trauriger Nachrichten“, schrieb die Zeitung „El Mundo“ in einem Kommentar. „Jetzt sind es wieder Neuigkeiten, aber diesmal viel freundlichere.“

Aus Respekt vor den Opfern der Anschläge hat Felipe seinen Junggesellenabschied abgesagt. Auch Letizias hat auf ihre Brautparty verzichtet. Das dafür vorgesehene Geld soll stattdessen an wohltätige Einrichtungen gespendet werden.

Ralph Schulze[Madrid]

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