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Panorama: Männerstolz und Vorurteil

Viele Väter fühlen sich vom Unterhaltsrecht benachteiligt– eine Expertin widerspricht

Friedbert Pflüger, der wahrscheinlich nächste Spitzenkandidat der Berliner CDU, und Margarita Mathiopoulos führten in der Öffentlichkeit eine Traumehe. Jetzt macht die Trennung der beiden als „Rosenkrieg“ die Runde. In einem Leserbrief an das Magazin „Focus“ bestätigte Mathiopoulos, dass Pflüger von seiner Noch-Ehefrau 175 000 Euro Unterhalt fordert. „Meines Erachtens ist jedoch die Ehefrau, die freiwillig ihrem Parlamentarischen-Staatssekretärs-Noch-Ehemann, seiner Praktikantin und deren unehelichem Kind finanziell unter die Arme greifen soll, noch nicht geboren“, schrieb sie. Das Beispiel wirft ein Schlaglicht auf die Unterhaltsfrage in Zeiten der Emanzipation. Ist der „Fall Pflüger“ ein kurioser Einzelfall? Kommt es oft vor, dass ein Mann gegen seine Frau auf Unterhalt klagt?

Das Statistische Bundesamt unterscheidet in seinen Zahlen nicht, wer für wen zahlt, wenn die Liebe vorbei ist. Experten gehen aber davon aus, dass die Zahl der Männer, die Ansprüche stellen, verschwindend gering ist. Jutta Puls, die 25 Jahre lang Familienrichterin am OLG Hamburg war und nun an der Reform des Unterhaltsrechts mitarbeitet, kann sich persönlich an „vielleicht drei Fälle“ aus ihrer Berufspraxis erinnern. Selbst wenn gerade Frauen Wert darauf legen, sich außergerichtlich zu einigen und „sich auch ganz gerne frei kaufen“, bleibt das Missverhältnis immer noch deutlich – zu Recht, findet Puls, schließlich seien Frauen häufig schlechter ausgebildet, da sie viel Zeit für die Erziehung der Kinder aufbrächten, und häufig auch schlechter bezahlt. Und genau darum geht es im Unterhaltsrecht: Wer besser verdient, muss nach einer Scheidung drei Siebtel der Einkommensdifferenz an den Partner überweisen. Dies gilt aber nur, wenn er mindestens 890 Euro nur für sich übrig hat – „und Frauen verdienen das oft nicht“. Im Gegenteil: Nach einer Studie des Bundesfamilienministeriums sind sie überdurchschnittlich oft vom Armutsrisiko Scheidung betroffen. Abhängige Partner, so die Studie, verlieren im Jahr nach der Scheidung ein Drittel ihres Einkommens.

Rüdiger Meyer-Spelbrink sieht das anders. Der Geschäftsführer des Verbands „Väteraufbruch für Kinder“ beklagt, dass nur gut fünf Prozent der Kinder nach der Scheidung zum Vater kämen – die Folge eines „Mutterbonus“ und von Vorurteilen, denen Gerichte gerne folgten. „Die Mütter fürs Emotionale, der Vater fürs Materielle“ – diese Aufgabenteilung hält Meyer-Spelbrink für nicht mehr zeitgemäß. Er spricht von einer „sozialen Hängematte“ und zählt Fälle benachteiligter Männer auf: Ein Lehrer habe nach der Scheidung die Kinder zu sich genommen, müsse aber zusätzlich Unterhalt an die Frau zahlen, weil die arbeitslos sei. Auch Meyer-Spelbrinks zwei Kinder wachsen bei ihm auf. Seine Ex-Frau habe aber nur zwei Jahre Unterhalt für die Kinder gezahlt, obwohl ihr neuer Partner finanziell gut gestellt sei. Er hat dagegen geklagt, wollte, dass seine Frau sich wenigstens um Arbeit bemüht. „Sie wissen doch, dass Bewerbungen nichts bringen“, habe ihm der Richter geantwortet. Bei vielen Leidensgenossen würde ein „gewisses Stolzgefühl“ verhindern, auf ihre Unterhaltsrechte zu pochen.

Als Antwort auf die Frauenbewegung will Meyer-Spelbrink seinen Verband aber nicht verstanden wissen. Man sei vielmehr für echte Gleichberechtigung. Ein Wechselmodell schlägt er vor, bei dem das Kind über einen längeren Zeitraum beim einen und dann beim anderen Partner aufwachse.

Jutta Puls antwortet auf diesen Vorschlag mit weiblicher Ironie. Der sei „wunderbar“, nur leider unrealistisch. Schließlich bräuchte es dafür Arbeitsplatzgarantien und ein soziales Umfeld, das ein solches Hin und Her mittrüge. Allerdings fordert der Entwurf zum neuen Unterhaltsgesetz, das noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten soll, mehr als bislang von Partnern, sich stärker ins Erwerbsleben zu integrieren. Auch sollen künftig die Bedürfnisse von Kindern erstrangig behandelt werden. „Sozialer Sprengstoff“ liegt schließlich im Vorschlag, unverheiratete Mütter genauso zu behandeln wie verheiratete.

Jens Poggenpohl

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