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Roberto Saviano

© dpa

Mafia: Die Killer im Nacken

"Gomorrha"-Autor Roberto Saviano verlässt Italien, um sich zu schützen. Er will sein Leben wiederhaben. Den Kampf gegen die Camorra will er dennoch nicht aufgeben.

Roberto Saviano braucht eine Pause. „Ich kann nicht mehr leben wie ein Leprakranker, ausgeschlossen vom Leben, von der Welt, von den Menschen. In der Zelle müssten die Mafiabosse leben, stattdessen bin ich es, der wie ein Eingesperrter lebt, unschädlich gemacht in einer Carabinieri-Kaserne, heute hier, morgen 200 Kilometer weiter weg, verschickt wie ein Paket. Was ist meine Schuld? Was soll ich verbrochen haben?"

Vor zweieinhalb Jahren hat Saviano in seinem Dokumentationsroman „Gomorrha“ das kriminelle Wirtschaftssystem der Camorra beschrieben. Im Herbst 2006 hat er dann, von einer Bühne im Zentrum des Camorra-Landes nördlich von Neapel, öffentlich gegen den mörderischen Clan der Casalesi gewettert. Er wusste sich umgeben von deren Killern und Bossen – wahrscheinlich schaute ihm der eine oder andere durch die Fensterläden sogar zu. Saviano rief seine Mitbürger auf, die Kriminellen auszuliefern; jeder wisse, wo diese sich versteckt hielten. Seit diesem Tag reißen die Morddrohungen gegen Saviano nicht ab. Seit diesem Tag lebt er unter Polizeischutz, höchste Sicherheitsstufe. Inzwischen ist sein Buch in mehr als 40 Sprachen übersetzt, der nach ihm gedrehte Film für den Oscar nominiert. Einen größeren Erfolg kann sich kein Autor wünschen. „Leck' mich … mit dem Erfolg!", wütet Saviano nun in der italienischen Zeitung „La Repubblica": „Ich will leben. Ich will eine Wohnung, ich will mich verlieben, ich will spazieren gehen, ich will ein Bier trinken können in der Öffentlichkeit. Ich will nicht ein Gefangener meiner selbst sein, meines Buches, meines Erfolges.“ Dann folgt ein böses Schimpfwort und: „… ich bin erst 28 Jahre alt! Ich will mich nicht kleinhacken lassen von Menschen, die ein Nichts sind, von Maulhelden, von Feiglingen, die unschuldige Menschen niedermetzeln!"

Nun ist bekannt geworden, dass die Casalesi konkrete Attentatspläne gegen Saviano schmiedeten. Bis spätestens Weihnachten wollten sie ihn auf der Autobahn zwischen Neapel und Rom in die Luft bomben. „Die wussten, wie viele Polizisten mich bewachen und welche Autos wir benutzen“, sagt Saviano. Ob die Pläne noch gelten, weiß keiner; jedenfalls haben sämtliche italienischen Politiker, bis hinauf zu Ministerpräsident Silvio Berlusconi und Staatspräsident Giorgio Napolitano, den Autor in Schutz genommen. Senatspräsident Renato Schifani bezeichnet Saviano gar als „Kulturgut der Legalität".

Vor zwei Jahren, sagte Saviano kürzlich, habe man ihm empfohlen, sich zur eigenen Sicherheit nach New York zurückziehen: „Ich habe es nicht getan. Ich habe es als moralische Verpflichtung empfunden, ein Symbol des Widerstands zu werden. Aber wie lange kann ich dieses Kreuz noch tragen?"

Inzwischen hat „Sandokan", einer der stärksten Bosse der Casalesi, „jenen großen Romancier“ aufgefordert, seine „Unterstellungen und Verleumdungen" bleiben zu lassen. Der Brief kam aus dem Hochsicherheitstrakt des Mailänder Gefängnisses, wo „Sandokan" eigentlich vom Rest der Welt isoliert sein sollte. Tatsächlich aber zeigt er sich regelmäßig über alle Entwicklungen im Bilde, und außerhalb der Mauern lesen die Killer der Camorra die Botschaften ihres Bosses durchaus als Auftrag. So haben sie vor zwei Wochen einen Mann erschossen, der Onkel zweier zur Polizei übergelaufenen Mafiosi war.

Franco Roberti, führender Staatsanwalt in der Bekämpfung der Camorra, hat öffentlich seinen Vorschlag erneuert, Saviano solle sich „etwas zurückziehen". Und diesmal ist Saviano gewillt nachzugeben. „Ich gehe aus Italien weg", bestätigte er am Mittwochabend im Fernsehen, „aber ich werde weiter gegen die Casalesi schreiben."

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