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Panorama: Magnus G. – ein Fall von Grausamkeit

Staatsanwaltschaft fordert Lebenslänglich für die Entführung und Ermordung des Bankierssohns Jakob von Metzler

Von Karin Ceballos Betancur,

Frankfurt (Main)

Vom Platz des Angeklagten aus muss der Staatsanwalt in seiner schwarzen Robe wie ein Adler aussehen, hinter dem Pult der Kläger, beide Hände auf die schreibtischhohe Platte gestützt, mit leicht gebeugtem Oberkörper und nach oben gestrecktem Kopf. Wahrscheinlich sind sie einander etliche Male auf dem Campus der Frankfurter Johann-Wolfgang-Goethe-Universität über den Weg gelaufen, als beide noch Jura studierten: Justus Koch, der 30 Jahre alte Staatsanwalt, und Magnus G., 28 Jahre alt, angeklagt des Mordes am elf Jahre alten Bankierssohn Jakob von Metzler.

Am Ende ihres Plädoyers vor der 22. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt wird die Staatsanwaltschaft eine lebenslange Haftstrafe für G. fordern und beantragen, zudem die besondere Schwere der Schuld feststellen – unter anderem wegen „besonders verwerflicher Begleitumstände“, „hoher Planungsqualität“ und „hoher krimineller Energie“. Sollte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgen, könnte G. selbst nach 15 Jahren Haftstrafe nicht vorzeitig entlassen werden, die Haftdauer wäre ungewiss. Der Angeklagte selbst sagt kein Wort an diesem Donnerstagmorgen. Er schweigt, während Koch die Vorgeschichte des Verbrechens nach Auffassung der Staatsanwaltschaft resümiert, G.s „rücksichtsloses Streben nach materieller Verbesserung“, ein junger Mann, „getrieben von dem Wunsch dazuzugehören“, der begann, am Plan für eine Strafhandlung zu feilen, als seine finanziellen Rücklagen zur Neige gingen, am Plan zur Entführung eines Kindes. „Ihm war klar“, sagt Koch, „dass das Opfer nicht nur sterben könnte, sondern auch sterben müsste.“ Der Angeklagte sieht dem Staatsanwalt nicht in die Augen, während Koch den Tathergang beschreibt, ein „Schauspiel, das an Unbarmherzigkeit kaum zu überbieten“ sei, die Schläge, das Würgen, den Tod durch Ersticken. Er spricht von den Lügen, in die sich der Angeklagte nach seiner Festnahme bei der Polizei verstrickte, von den Anschuldigungen gegen drei angeblich Drahtzieher der Entführung. Der Angeklagte hält sich die Hand vor den Mund und stützt sein Kinn auf den Daumen, während Koch den Wert von G.s Geständnis vor Gericht relativiert: „Sie haben sich umfangreich zur Sache geäußert, den Sachverhalt objektiv eingeräumt“, allerdings, sagt Koch, sei G. auch „kaum etwas anderes übrig“ geblieben. Der Angeklagte habe „viel geredet, aber nichts gesagt“, stattdessen seine Aussagen in „kunstvoll konstruierte Konjunktivsätze“ verpackt, als er versuchte, bei seiner zweiten Aussage dem Gericht einen Eindruck seiner inneren Widersprüche zu vermitteln: „Ich wollte es nicht, aber mir war wahrscheinlich klar, dass es passieren würde“, hatte G. damals gesagt.

Der Angeklagte schweigt, führt hin und wieder die Hand ins Gesicht und verbirgt den Mund hinter seinen Fingern. Manchmal reibt er mit Daumen und Zeigefinger seinen Nasenrücken und schließt die Augen. Würde er weinen, hielte man es für ein selbstmitleidiges Schauspiel. Weint er nicht, empört sich die Öffentlichkeit über sein scheinbar teilnahmsloses Auftreten. Lebenslänglich. „Sie sollten sich nichts vormachen“, sagt Koch, „am Mordanteil der Grausamkeit schlittern Sie um Haaresbreite vorbei, und zwar nur, weil nicht ganz klar ist, wie lange Jakob gelitten hat.“

Karin Ceballos Betancur[Frankfurt (Main)]

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