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Panorama: Mainz, wie es zankt und kracht

Den Rosenmontagswagen mit einem halb nackten Bush und Angela Merkel finden viele Bürger der Fastnachtshochburg gar nicht lustig

Von Oliver Bilger

In einer Fastnachtshochburg ist Spaß eine ernste Sache. Das haben die Mitglieder des Mainzer Carneval-Vereins (MCV) in diesem Jahr erfahren müssen: Seit sie die Entwürfe für die 15 Motivwagen des 104. Rosenmontagszugs präsentiert haben, macht ein Motiv die Mainzer närrisch: das nackte Hinterteil des US-Präsidenten und die CDU-Chefin Angela Merkel. Mainz brodelt. Die Stadt, die sonst kaum einmal von sich reden macht, hat endlich einen Skandal. Es geht um eine momentan im Bau befindliche fünf Meter hohe Pappmaschee-Konstruktion. Von dem Wagen gibt es noch keine Fotos, bisher ist nur die Entwurfszeichnung bekannt geworden. Sie zeigt George W. Bush als „Uncle Sam“ mit entblößtem Hintern. Darüber prangt in großen Lettern „Wiedereröffnung“. Und Merkel eilt freudig zur Trittleiter, die zu Bushs Allerwertesten führt. Dazu der Narrenreim: „Da strahlt die Angela am End, George Bush bleibt weiter Präsident, sie fühlt sich wie im Honeymoon, wir wünschen ihr ‚Good After-Noon’“.

Die Idee, Merkels Unterstützung für Bush und dessen Irak-Krieg im Jahr 2003 zum Thema der Fastnacht zu machen, ist nicht neu. Vor zwei Jahren fuhr bei den Düsseldorfer Jecken ein ähnlicher Wagen im Zug mit.

Bei den Mainzern aber stößt die Darstellung auf Kritik, zumal der echte Bush zwei Wochen nach dem närrischen Umzug am 7. Februar zu einem Besuch in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt erwartet wird. Bei der Mainzer Lokalpresse meldeten sich zahlreiche Empörte zu Wort. Die „Allgemeine Zeitung“ dokumentierte nach einer Telefonaktion in der vergangenen Woche das Unverständnis der Mainzer: Die Darstellung sei „eine Schweinerei“, heißt es von einem Leser. Man solle doch Respekt vor dem Amt der Leute haben, empfiehlt der Bürger. Das Motiv sei an „Geschmacklosigkeit nicht mehr zu überbieten“ findet ein anderer. „Ein Schlag unter die Gürtellinie.“ Wieder ein anderer findet die Karikatur „wirklich ekelhaft und der Mainzer Fastnacht nicht würdig“.

Fast alle Meinungen gleichen sich: „obszön, unanständig, skandalös“ – die Grenzen des guten Geschmacks seien überschritten. Ein Mainzer formuliert, es handele sich nicht um einen „Motiv- sondern Primitivwagen“.

Ein Anrufer aus einem Mainzer Vorort ereifert sich, er habe mit Freunden überlegt, das Bild ans Weiße Haus zu schicken, um den Bush-Besuch am 23. Februar zu verhindern. Ady Schmelz, Zugmarschall des MCV, beeindruckt diese Kritik wenig. Schließlich handele es sich um Satire, sagt der langjährige Zug-Organisator. Und bei der halte er es wie Kurt Tucholsky: „Satire darf alles“. Dieser Motivwagen werde auf jeden Fall rollen. Die verantwortliche Zugleitung trage den Wagen mit, die besten Entwürfe seien schließlich gemeinsam ausgewählt worden. „Wenn der Narr etwas ausdrückt macht er das oftmals etwas deftiger“, so der 60-jährige Schmelz. Natürlich habe er allerlei Beschwerden erhalten, auch von CDU-Politikern aus dem Stadtrat: „Es melden sich bei mir Menschen, weil sie Angst haben, dass wir den Präsidenten aus Amerika beleidigen.“ Zwar könne er die Kritik der Leute auch verstehen, sagt Schmelz auf Nachfrage: „Ich kann aber gut damit leben, wenn jemandem der Wagen nicht gefällt.“

Zur bevorstehenden Präsidenten-Visite hat Fastnachtschef Schmelz einen Satz parat: „Bush kommt doch nach Mainz, weil er sich den Wagen anschauen möchte …“ Einen tatsächlichen Zusammenhang gebe es aber nicht, stehe das Motiv schon viel länger fest als der Besuchsplan.

„Ich weiß auch nicht, ob das etwas geändert hätte“, schiebt er nach. Auch fände er es „einen Albtraum“, müssten die Motive zur Genehmigung vorgelegt werden. Mit einer Zensur wäre die Mainzer Fastnacht sinnlos, sagt er in vollem Ernst. Stattdessen müsse die dargestellte Meinung des Narren hingenommen werden – vor allem von Politikern, sagt Schmelz, auch wenn sie einem persönlich nicht gefällt.

Bei den Betroffen sind die Reaktionen auf die Posse daher verhalten: Aus der Pressestelle der amerikanischen Botschaft in Berlin heißt es nur lapidar: „Kein Kommentar“.

Auch aus dem Büro von Angela Merkel, will sich niemand äußern. Markus Biagioni, Pressesprecher der Stadt Mainz, berichtet von einem Organisationstreffen für den Bush-Besuch mit dem US-Generalkonsulat in Frankfurt: „Es klang durch, dass sich dort keiner aufregt“, beruhigt Biagioni närrische Kritiker. „Wir haben einen Staatsbesuch vorzubereiten, da werden wir nicht über Fastnachtsfragen sprechen.“

Klaus Wilinski, der Zeichner der Karikatur „Wiedereröffnung“, versteht die Aufregung gar nicht und hält die Debatte in Mainz für „übertrieben“. Nach Bekanntwerden von Bushs jüngsten Iran-Plänen hätte er sein Werk gerne „noch schärfer formuliert“, wie er sagte. Seine Zeichnung sei dagegen noch vergleichsweise harmlos. Gleichwohl hat er nichts dagegen, dass er auf diese Weise berühmt wird.

Die Düsseldorfer, die einst Ärger wegen eines Kohl-Wagens hatten (Kasten links), haben die Konsequenz aus solchen Diskussionen gezogen. Sie weigern sich, ihre Wagenmotive vor dem Auftritt am Rosenmontag zu verraten.

Dafür stiehlt ihnen in diesem Jahr Mainz die Schau.

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