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Panorama: Man spricht deutsch

Stan und Ollie lasen auch deutsche Dialoge ab – in Lautschrift. Das beweist ein verloren geglaubter Film

Bonn - Von den insgesamt 106 Filmen, die das berühmte Komikerduo Laurel und Hardy („Dick und Doof“) gemeinsam gedreht hat, zählt „The Laurel and Hardy murder case“ aus dem Jahre 1930 zweifellos zu den schwächeren. Dass es die Bonner Kinemathek am vergangenen Samstag trotzdem wagte, den Film einem größeren Publikum zu präsentieren, hatte allerdings einen guten Grund. Bei „Spuk um Mitternacht“ – so der ursprüngliche deutsche Verleihtitel – handelt es sich nämlich um eine so genannte phonetische Fassung des Films, in der Stan und Ollie selbst Deutsch sprechen. Sie hatte bislang als verschollen gegolten.

Die Kopie war von Stefan Drößler, dem Leiter des Münchener Filmmuseums, kürzlich in einem Moskauer Filmarchiv aufgespürt worden und feierte nun im Rahmen des 20. Bonner Sommerkinos nach über 70 Jahren eine umjubelte Wiederaufführung. „Die Existenz solcher phonetischen Fassungen ist darauf zurückzuführen, dass es beim Aufkommen des Tonfilms technisch noch äußerst aufwändig war, Filme mit Untertiteln zu versehen oder gar zu synchronisieren“, erläutert Drößler. „Um ihre Produkte auch weiterhin im Ausland ins Kino bringen zu können, ließen manche Filmproduzenten neben der Ursprungsversion für den einheimischen Markt fremdsprachige Fassungen anfertigen.“

So habe auch Laurel und Hardy-Produzent Hal Roach entschieden, dass sein populäres Duo rund ein halbes Dutzend Streifen nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Französisch, Spanisch, Italienisch und Deutsch abdrehen sollte. Sämtliche deutschen Phonetik-Fassungen galten als vermisst – bis jetzt die „Spuk um Mitternacht“-Kopie auftauchte. Bei der Wiederaufführung waren es denn auch weniger die eher lauen Gags, die das Publikum in Verzückung versetzten. Vielmehr bestand die Faszination vor allem darin, Stan und Ollie dabei zuzuhören, wie sie die oft schwierigen deutschen Dialoge in Angriff nahmen. Wie sie das seinerzeit bewerkstelligten, verriet Stan Laurel einmal in einem Interview: „Wir drehten den Film zunächst komplett in Englisch. Dann kamen wir mit französischen, deutschen, italienischen und spanischen Dolmetschern zusammen. Wir bauten die Kamera für die erste Szene auf. Der Dolmetscher erklärte uns erst noch einmal auf Englisch, um was es in dem entsprechenden Dialog ging, bevor er das Ganze auf Französisch wiederholte. Das, was er sagte, schrieben wir in Lautsprache so auf, wie es sich für uns anhörte. Da wir wussten, was das Geschriebene bedeutete, konnten wir es beim Drehen korrekt betonen. Dann drehten wir die französische Fassung der ersten Szene. Anschließend hielten wir die Kamera an und drehten noch die deutsche Version.“

So sei jede Szene viermal gedreht worden, bevor die Kamera für die nächste Einstellung bewegt wurde. Laurels Erinnerung zufolge hatten die Zuschauer in den entsprechenden Ländern keinerlei Probleme damit, die beiden zu verstehen – was die Bonner Wiederaufführung eindrucksvoll bestätigte. Etwas Verwirrung hätten die phonetischen Fassungen bei den Fans in Europa jedoch durchaus ausgelöst: „Als wir später dort hinfuhren, waren die Leute ganz überrascht, dass wir ihre Sprache gar nicht beherrschten.“

Christian Blees[Bonn]

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