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Panorama: Maß für Maß

Münchens Oberbürgermeister Ude will Hagens’ Leichensektion verhindern – der droht mit Straßenprotesten

Sein Hut, sagt der Anatom Gunther von Hagens, sei Zeichen seiner Individualität.

Mit dem Hut sieht Gunther von Hagens fast aus wie Joseph Beuys, wie er überhaupt dem niederrheinischen Künstler äußerlich und in punkto Entschlossenheit ziemlich ähnelt. Natürlich war der Hut auch auf von Hagens Kopf, während er in einer Londoner Brauerei als erster Mensch seit 170 Jahren öffentlich eine Leiche seziert hat. Und er wird wieder dort sitzen, wenn Gunther von Hagens diesen Vorgang demnächst wiederholen will. Vom 28. Februar nächsten Jahres an nämlich gastiert die in London bereits zweimal verlängerte Schau „Körperwelten“ auch in München, zwar zentral untergebracht, aber doch in einem relativ unattraktiven Haus, dem ehemaligen Katastrophenschutzgebäude in der Heßstraße.

„Volkes Seele kocht“

Es geht aber eigentlich gar nicht um die Ausstellung, es geht vor allem um den Akt der öffentlichen Sektion, den von Hagens sogar gerne im Fernsehen als Sendung etabliert sähe, weil die Menschen, so hat das von Hagens jetzt zumindest der Münchner „Abendzeitung“ („AZ“) anvertraut, „so etwas schließlich interessiert". Bei Nichtgenehmigung fühle sich die „Öffentlichkeit vom Wissen“ ausgeschlossen, so der praktizierende Arzt. „Wir leben in einem demokratischen Land. Da ist alles erlaubt, was nicht verboten ist“, sagte Hagens der „AZ“. Schließlich dürften auch Studenten Sektionen beiwohnen, „warum nicht auch Laien?“

„Volkes Seele kocht“, schreibt die „AZ“. Und Münchens Oberbürgermeister Ude kündigte mit leicht erregter Stimme im Fernsehen an, alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen zu wollen, um diese „Volksbelustigung“, wie er es formulierte, zu verhindern.

Die „AZ“ hat bei der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität angefragt, ob man denn dort bereit sei, für entsprechende Aktivitäten einen Raum zur Verfügung zu stellen. Dies wurde und wird vom Rektorat abschlägig beschieden. Es ist dabei nicht der Umstand, dass von Hagens vom Zuschauer Geld nimmt für seinen Besuch, der die Leitung Nein sagen lässt. Sondern überhaupt das Gefühl, man habe es mit einer eher würdelosen Veranstaltung zu tun. So formuliert es zumindest der Rektor der Hochschule, Bernd Huber.

Das Münchner Kreisverwaltungsreferat hat sich mit von Hagens Plänen beschäftigt, auch in München eine Sektion durchzuführen, lässt aber noch nicht erkennen, ob die Veranstaltung über welche Bühne auch immer gehen wird – oder eben nicht.

Die Universität sträubt sich

So zumindest lässt es die Pressesprecherin Karin Hilbich verlautbaren. Die „Abendzeitung“ freilich argumentiert schon auf der Grundlage eines Verbotes, wenn sie den Anatomen fragt, was er denn dann dagegen unternehmen würde. Das gibt von Hagens die Möglichkeit, schon einmal einen Aufruf loszuwerden: „Dann werde ich genug Protest auf die Straße bringen, um mein Recht durchzusetzen. Aber soweit wird es nicht kommen. Hoffe ich.“ Was dem Fernsehen recht sei, argumentiert von Hagens, nämlich die teilweise Übertragung von Operationen, müsse für ihn und seine Live-Veranstaltungen doch im gleichen Maße gelten.

Die Bundesärztekammer hatte die Sektion in London scharf kritisiert. Diese Art der Sektion vor einem Laienpublikum sei mit dem Berufsbild des Arztes nicht vereinbar.

Wie sich die Stadt München in Sachen von Hagens verhält, wird sich erst in der nächsten Woche herausstellen. Dann soll es im Kreisverwaltungsreferat zu einer Entscheidung kommen. Mag sein, dass auch sie sehr individuell ausfällt. Bayern ist, das garantiert nicht nur die CSU – anders.

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