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Panorama: Massaker mit Ansage

Wieder hat in Finnland ein Schüler wild um sich geschossen und zehn Menschen getötet – es ist der zweite Amoklauf in einem Jahr

Am Dienstagmorgen setzte sich Matti Juhani Saari die Militärkappe auf, und hängte sich die große Tasche über, in der er seine Waffe verstaut hatte. Der 22-Jährige hatte es eilig. Bald würde es zu spät sein. Matti hatte es schließlich im Internet angedeutet, und ein Polizist hatte ihn am Vortag schon deswegen verhört. Vor drei Wochen begann er mit einer Reihe beängstigender Auftritte auf der Videointernetseite Youtube. Der letzte war fünf Tage alt. „Du stirbst als Nächster“, sagte er in eine Kamera und feuerte demonstrativ seine Walther P22 Target ab. Außerdem hatte er sich an einem Schießstand in Szene gesetzt.

Er hatte eine Waffenlizenz für die Walther, und der Polizeikommissar, der ihn noch am Montag verhört hatte, ließ ihn mit seiner Waffe aus dem Revier gehen.

Ein letztes Mal loggte Matti Juhani Saari sich am Dienstagmorgen bei Youtube ein und schaute sich vermutlich seine Videos noch mal an. Sollten sie ihn anfeuern, es wirklich zu tun? Etwas ziellos soll der Schüler dann gewirkt haben, als er durch seinen Ort, Kauhajoki, strich, berichteten Augenzeugen der westfinnischen Kleinstadt später. Er streunte durch unterschiedliche Schulgebäude. Um elf Uhr kam Matti zur Haushaltsschule. 20 Schüler waren gerade dabei, die Fragen einer Prüfung schriftlich zu beantworten. Alles ging sehr schnell. Matti zielt ruhig und genau, drückt ab. Es knallt viele Male. Matti ist ein guter Schütze. Zehn Schüler sterben durch seine Kugeln. Mehrere andere überleben angeschossen. Sie werden später ins Krankenhaus gebracht. Dann schießt sich Matti selbst in den Kopf. Er stirbt wenig später im Krankenhaus von Tampere.

Der Amoklauf in Kauhajoki ist in Finnland schon der zweite innerhalb eines Jahres: Im November 2007 erschoss ein 18-jähriger Schüler an einer Schule in der Stadt Tuusula acht Menschen, darunter die Direktorin. Der Täter brachte sich nach der Tat um. Auch er hatte das Massaker in einem Video auf der Internetplattform Youtube angekündigt.

In der Schule von Kauhajoki brach am Dienstag auch ein Feuer aus, die Ursache ist bislang ungeklärt. Es wurde auch spekuliert, ob der Schütze Sprengstoff dabei hatte. Das Feuer konnte bereits während der Evakuierung gelöscht werden. Die Schule für Tourismus, Hauswirtschaft und Catering hatte insgesamt rund 150 Schüler und 40 Lehrer. Das Motiv des Täters ist ungeklärt. Es wird vermutet, dass Matti im Schützen von Tuusula sein Vorbild sah. Auch dieser trug schwarze Kleidung bei seiner Ankündigung im Internet. Auch der Typ der Tatwaffe soll der gleiche gewesen sein. Ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt außerdem Mattis Waffenkoffer, in dem eine Pistole, ein Magazin und andere Schussvorrichtungen liegen. Überschrieben ist das Bild mit seinem Satz „Mitleid mit der Mehrheit?“.

Das könnte darauf hinweisen, dass er wie schon der 18-jährige Amokläufer Pekka-Eric Auvinen in Tuusula von dem finnischen Ökophilosophen Pentti Linkola inspiriert wurde. Der tritt für die gewaltsame Reduzierung der Menschheit zugunsten des Umweltschutzes ein. Auch andere Gemeinsamkeiten gibt es zu dem 18-Jährigen, aber auch zu Amokläufern in Amerika: Waffenfetischismus, ein Hang zum Militarismus, zu Gewaltideologien – alles vermengt zu einer wirren Mixtur. Als Hobbys gab Matti im Internet „Computer, Waffen, Sex und Bier“ an, er mochte brutale Horrorfilme, harte und düstere Gitarrenmusik. Als Kämpfer gegen eine verweichlichte Gesellschaft schafft er sich selbst eine Art Denkmal.

Die finnische Innenministerin übte scharfe Kritik an der Polizei, die untätig blieb, weil ein Beamter die Videos im Internet nur als Dumme-Jungen-Angelegenheit verbuchte, aber durch seine Kontaktaufnahme mit dem jungen Mann wohl der letzte Auslöser war. Der Täter wusste, dass die Polizei ihn im Visier hatte. Wollte er seine Fantasien wahrmachen, musste er es schnell tun.

Ministerpräsident Vanhanen will nun das Waffengesetz überprüfen lassen. Auf einer Pressekonferenz sagte er, die Tat werde mit Sicherheit die Meinung über Handfeuerwaffen beeinflussen. Bisher hatte Vanhanen ein schärferes Waffengesetz mit Hinweis auf die niedrige Kriminalitätsrate im Land abgelehnt. Etwas mehr als die Hälfte der Finnen besitzt Waffen, womit das Land nach den USA – und Jemen – an dritter Stelle weltweit liegt.

André Anwar[Stockholm]

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