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Panorama: Mehdorn lässt alle Tunnel überprüfen

Auf der Unglücksstrecke wurde eine Weiche entdeckt. Ihre Verwendung nennt ein Experte fahrlässig

Wie unsicher sind Eisenbahntunnel in Deutschland? Neue Tunnelanlagen haben umfassende Mess- und Sicherheitseinrichtungen, um Unfälle zu vermeiden und im Falle eines Unglücks die Fahrgäste zu retten (siehe Kasten). Auch ältere Tunnelanlagen sehen Sicherheits- und Rettungsmaßnahmen vor. Aber reicht das? Bahn-Chef Hartmut Mehdorn will die Sicherungsanlagen vor den Tunneleingängen der ICE-Schnellstrecken überprüfen. „Das werden wir uns noch einmal vornehmen“, sagte Mehdorn am Montag in Berlin.

Er würdigte allerdings, dass bei dem Unfall am Samstagabend in der Nähe von Fulda das Krisenmanagement der Bahn hervorragend funktioniert habe. Trotz des Unfalls bleibe er dabei: „Die Tunnel sind sicher.“ Man kann „gar nicht so verrückt denken“, wie sich die Ereignisse verketten könnten, sagte er. „Wenn mir vor kurzem einer gesagt hätte: ,Was macht die Bahn, wenn 60 Schafe im Tunnel sind?’, hätte ich nur abgewunken.“ Trotzdem gelte: „So etwas darf nie wieder passieren.“

Eine bessere Sicherung von Eisenbahntunneln hat der Kasseler Verkehrswissenschaftler Helmut Holzapfel gefordert. „Genauso wie Weichen oder Brückenpfeiler sind Tunnel neuralgische Punkte. Und entsprechend muss man sie auch sichern, besser als bisher“, sagte der Ingenieur gegenüber dpa. Sollte es sich bewahrheiten, dass in dem Unglückstunnel bei Fulda eine Weiche war, wäre das bedenklich: „Ein Bild zeigt offensichtlich einen Weichenkörper. Weichen sind aber immer Schwachpunkte, gerade bei Hochgeschwindigkeit. So etwas in einen Tunnel zu bauen, könnte man fast als fahrlässig bezeichnen.“ Holzapfel bezeichnete den ICE-Unfall vom Samstag als „rätselhaft“. „Einige Begleitumstände, von denen jetzt die Rede ist, können kaum so stimmen.“ Er teile nicht die Ansicht, dass der Tunnel Schlimmeres verhütet habe. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Tunnel den Zug quasi in der Spur hielt und so ein größeres Unglück verhinderte. Der Zug hätte anders ausgesehen, wenn er immer wieder die Wände berührt hätte.“ Außerhalb des Tunnels wäre womöglich sogar weniger passiert: „Es hat schon ähnliche Unfälle auf freier Strecke gegeben, sowohl mit dem französischen TGV als auch mit dem deutschen ICE. Die hohe Geschwindigkeit der Züge hat die Tiere dann einfach weggeschleudert.“ Im Tunnel seien die Kadaver hingegen auf den Gleisen geblieben und hätten so möglicherweise die Achsen verklemmt.

Eine komplette Einzäunung der Hochgeschwindigkeitsgleise wie in Frankreich lehnte Holzapfel ab: „Man kann nicht ganz Deutschland einzäunen.“ Experten fordern jedoch eine Videoüberwachung der Tunneleingänge, damit die Leitstelle bemerkt, wenn Tiere oder Menschen in den Tunnel laufen.

Zum Glück kam nicht unmittelbar aus der anderen Richtung ein weiterer Zug. Wenn dieser mit Tempo 250 gegen einen entgleisten Waggon geprallt wäre, hätte es eine Katastrophe mit vielen Toten gegeben. Nach dem Unfall waren alle Signale auf Rot gestellt worden.

Zwei ICE-Züge dürfen sich in Tunneln begegnen, nicht aber ein ICE und ein Güterzug. Dies schreiben die 1997 erlassenen „Anforderungen des Brand- und Katastrophenschutzes an den Bau und den Betrieb von Eisenbahntunneln“ vor. Das Eisenbahnbundesamt (Eba) als Aufsichtsbehörde kontrolliert zudem, ob „längstens alle drei Jahre“ Übungen mit Feuerwehr und Rettungsdiensten erfolgen. Im 20 Jahre alten Landrückentunnel war erst kürzlich geübt worden.

Die Bahn hat an den Hochgeschwindigkeitsstrecken mehrere sogenannte Rettungszüge für Unfälle in Tunneln stationiert. Diese können mit speziellen Diesellokomotiven auch in verrauchte Tunnel hineinfahren. An Bord sind Löschgerät, Bergungstechnik, aber auch Notärzte und Behandlungszimmer. Bei dem Unfall am Samstagabend waren sofort zwei dieser Züge aus beiden Richtungen zum Landrückentunnel gefahren. Der Unfall geschah wenige Wochen vor dem zehnten Jahrestag der Katastrophe von Eschede. Im Juni 1998 starben 101 Menschen, als ein ICE entgleiste. Ha/dpa

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