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Panorama: Mein Freund, der Feind

Der ehemalige irakische Informationsminister al Sahaf ist in den USA eine Kultfigur geworden

Von Matthias B. Krause,

New York

Sein Gesicht ist seit fast einem Monat von den Bildschirmen verschwunden, doch seine Fangemeinde wächst unaufhörlich. Einst erklärte Mohammed Sajid al Sahaf der Welt im Auftrag von Saddam Hussein mit immer neuen blumigen Formulierungen, in welcher Hölle die Amerikaner und Briten in naher Zukunft schmoren werden. Je länger der Irak-Krieg andauerte und je unübersehbarer die Erfolge der Alliierten wurden, desto absurder klangen die wüsten Drohungen, die er fließend in Englisch und Arabisch vortrug. So sprach al Sahaf etwa von „wilden Eseln", die in den Irak einmarschiert seien: „Wir werden sie alle schlachten." Notfalls mit Hilfe Gottes, der „ihre Bäuche im Himmel rösten wird" – zu welchem Zweck auch immer. Besonders abschreckend sollte wohl auch folgende Drohung klingen: „Wir werden sie mit Kugeln und Schuhen begrüßen." Mit Schuhen? Nun ja, zumindest hat der Mann Fantasie.

George W. Bush als begeisterter Fan

Und hohen Unterhaltungswert. Selbst US-Präsident George W. Bush fand das komödiantische Talent des „Desinformationsministers“ so unwiderstehlich, dass er entgegen allen Gewohnheiten aus Sitzungen eilte, sobald eine neue Folge von Alis Realty-TV erschien. „Großartiger Mann", bekannte Bush unlängst in einem Interview, „irgendjemand vermutete sogar, den hätte ich selbst engagiert. Ein absoluter Klassiker." Damit die Elaborate al Sahafs der Nachwelt erhalten bleiben, gibt es seit einiger Zeit im Internet auch eine Fanseite. Eine schlichte Liebesbekundung schon im Namen: www.WeLoveTheIraqiInformationMinister.com .

Auf der Seite begrüßt der wortreiche Englischlehrer die Besucher mit beschwörend erhobenen Händen, wie gewohnt gekleidet in olivgrüne Kampfuniform und mit keckem Barett auf dem Haupt. Darunter ist der „Schatz der unsterblichen Zitate" aufgeführt, täglich aktualisiert. Derzeit dreht sich die Diskussion darum, wo sich der Held der Satire-Freunde, von ihnen zärtlich M.S.S. abgekürzt, wohl aufhält. Natürlich sei er nicht geflohen, heißt es dort weiter, er befinde sich nur gerade im Urlaubssemester. Die jüngste Meldung streut die Vermutung, US-Verteidigungsminister Donald Rumfeld habe sich während seines Irak-Besuches mit al Sahaf getroffen und dem schmerzlich Vermissten freies Geleit nach Las Vegas zugesagt. Andere Quellen berichten, ein arabischer Konkurrenzsender von al-Jazira habe den Mann als Analysten eingekauft. Klingt gar nicht so unglaubwürdig, wenn man weiß, dass Iraks ehemaliger Uno-Botschafter Mohammed al Douri nämlichen Job tatsächlich angetreten hat. Der Betreiber der Fan-Seite, Jean-Pierre McGarrigle, bekennt: „In einem Zeitalter der Verdrehung bietet al Sahaf Gefühl und Authentizität. Seine Botschaft ist beständig, unerschütterbar von Fakten oder Beweisen und verlangt tägliche Aufmerksamkeit durch ihre punktgenaue, an Beschimpfungen reiche Variation des Themas. Er steht über der Wahrheit." Und damit bei Tausenden hoch im Kurs. Am ersten Wochenende nach Erscheinen der Internet-Seite brach der Server unter dem Ansturm der neugierigen Surfer zusammen. Mittlerweile müssen zwei große Computer arbeiten, um die Nachfrage nach frischen Fakten und Fiktionen aus dem Reich des M.S.S. zu befriedigen. Daneben gibt es noch Hunderte weiterer Seiten, die sich mit Geschichte, Gegenwart und Zukunft des aus Bagdad verjagten Regierungsvertreters beschäftigen. Eine einfache Anfrage bei der Internet-Suchmaschine Google fördert knapp 3000 Treffer an den Tag.

Durchhalteparolen im Kugelhagel

Der letzte öffentliche Auftritt al Sahafs datiert auf den 8. April. Mit dem gewohnten zynisch-überlegenen Lächeln kommentierte er ein letztes Mal die Vorstöße der Alliierten: „Sie befinden sich in einem Stadium der Hysterie und Hast. Sie glauben, wenn sie Zivilisten töten, werden sie gewinnen. Doch die Schurken werden nicht gewinnen." Da ertönten im Hintergrund schon Gewehrschüsse.

Wie es sich für berühmte letzte Worte gehört, gibt es sie mittlerweile auch zu kaufen. T-Shirts, Kaffeetassen, Frisbee-Scheiben, Mousepads können online geordert werden. Besonders hübsch auch die Grillschürze für den Herren mit der vielzitierten Ankündigung der gerösteten Bäuche. Die US-Puppenfirma „Hero Builders" ( www.herobuilders.com ) offeriert einen „Iraqi Dis-Information Minister", Kosten: 24,99. Für nur elf Dollar mehr spricht die 30 Zentimeter große Puppe in Uniform Sätze wie: „Wir werden sie alle abschlachten." Oder: „Es gibt keine amerikanischen Soldaten in Bagdad. Niemals!"

Die irische Billigfluglinie Ryanair nutzte Image und Bild des Informationsministers für einen Angriff auf den Konkurrenten Easyjet. Die Kampagne verkündet: „Wir gewinnen den Krieg. Wir schlagen die Amerikaner. Easyjet hat die kleinsten Preise."

Nur ein großer Wunsch der großen M.S.S.-Fangemeinde wurde bitter enttäuscht. In einem vom Pentagon herausgegebenen Kartenspiel mit den 52 meistgesuchten Irakern fehlt ausgerechnet al Sahaf.

Dabei hätte er doch den perfekten Joker abgegeben.

Weiteres im Internet:

www.WeLoveTheIraqiInformationMinister.com

www.herobuilders.com

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