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Panorama: Mein Garten Eden: Der Augustmond

Juli und August sind für den Gärtner und die Gärtnerin problematische Monate. Man muss verreisen, der Schulferien wegen.

Juli und August sind für den Gärtner und die Gärtnerin problematische Monate. Man muss verreisen, der Schulferien wegen. Ob man zu Oma und Opa fährt, das Schlauchboot im Anhänger nach Rimini zieht oder auf die Malediven fliegt - die Familie will weg. Überlegungen, wer den Phlox gießt und die Geranien, dass der Salat auswächst und die Tomaten entweder vertrocknen oder verfaulen, finden die Kinder absolut überflüssig. Sie wollen Meer und Spaghetti, da kommt nichts gegen an. Wohl dem, der edle Nachbarn hat, die mit der Gießkanne einspringen.

Sind die Kinder endlich groß, verreisen Gärtner nicht mehr im Juli und August, den schönsten Monaten, in denen die Gartenarbeit so herrliche Blumen und Früchte trägt. Deswegen, glaube ich, haben Gärtner nichts gegen das Älterwerden. Endlich können sie die Blütezeit vom Phlox genießen, Zucchini ernten, an milden Abenden draußen sitzen, Pfirsichbowle trinken und zusehen, wie still der Mond am Himmel leuchtet. Grillen, nein, grillen tun die Jungen. Ich habe noch kein älteres Paar gesehen, das nur für sich Schweinswürste über der Holzkohle wendet.

Wenn es eine Zeit der Stille gibt, dann ist es eine Augustnacht. Der Himmel ist klar und schwarz, man muss eine Zeit lang hinaufschauen, dann sieht man sie: die Sternschnuppen. In 100 Kilometern Höhe verbrennen Materienstücke aus dem Weltraum. Sie bestehen aus Staub und verglühen in 0,5 bis 4 Sekunden. Silberne Striche, bei deren Anblick man sich was wünschen darf; aber der Wunsch darf nicht verraten werden. Ich sitze im dunkel verhüllten Garten, nur mit einem ganz, ganz kleinen Windlicht auf dem Tisch, das nicht blendet. "Und meine Seele breitet weit ihre Flügel aus", dichtete Joseph von Eichendorff.

Das leise, schleifende Geräusch im Gras ist der Igel. Er strebt auf die ersten noch unreifen Äpfel zu, die unterm Baum liegen. Und in der Thujenhecke feiern die Glühwürmchen ihr Disco-Fest. Ihre Lichtlein gehen an, aus, an, aus. Sie heißen auch Johanniswürmchen, und als solche stehen sie im Register des Werks "Die Geheimnisse im Reich der Insekten". Vom Johannitag an, dem Tag der Sommersonnenwende, bis Ende August leuchten und tanzen sie nachts. Am Tag schlafen sie. Es ist ihr Liebesspiel. Die Weibchen leuchten ein bisschen heller als die Männchen. Dafür haben die Männchen größere Flügel. Aber die Weibchen haben eingebaute Blinker am Hinterleib. Sie sind die Verführerinnen.

Die Leuchtsubstanz Luciferin ist 1961 von einem amerikanischen Biochemiker künstlich hergestellt worden. Sie gibt, lese ich nach, kaltes Licht und nützt die Energie sehr gut aus. Aber daran denke ich nicht, wenn ich ihrem kurzlebigen Gefunkel zuschaue. Ich spüre, wie mein Garten atmet, sein ganz eigenes Leben lebt in der Nacht, im Mondschein, im Sternenlicht, im Glühwürmchenfeuer. In der Kühle, in der Stille. Echt, ich bin froh, dass ich hier sitze und nicht fort sein muss. Zu alt für den Ballermann, Gott sei Dank.

Ursula Friedrich

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