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Panorama: Mein Garten Eden: Hot Bikini in der Sonne

Es hat lange Zeit gedauert, bis ich erfahren habe, dass Strohblumen Blumen sind. Lebendige, echte Blumen.

Es hat lange Zeit gedauert, bis ich erfahren habe, dass Strohblumen Blumen sind. Lebendige, echte Blumen. Ich hielt sie immer für künstlich. Bei einem Gastwirt in unserer Nähe standen sie das ganze Jahr über in kleinen Vasen auf dem Tisch. Sonderbar steif, ein bisschen staubig im Lauf der Zeit, aber über Monate hin völlig unverändert in Aussehen und Gestalt. Wir aßen dort oft, wenn ich keine Lust oder keine Zeit zum Kochen hatte. Das Essen war so ähnlich wie der Tischschmuck: nie frisch, aber auch nie so, dass man davon krank wurde.

Liegt es an dieser faden Erinnerung, dass ich Strohblumen nicht mochte? Nicht als Strauß, nicht als Kränzchen am Bauernschrank, auch nicht plattgedrückt hinter Glas als Bild an der Wand. Besonders gemein finde ich es, wenn sie mit Stecknadeln an Kakteen festgepinnt sind, um eine üppige Kakteenblüte zu simulieren.

Sie rascheln, wenn man sie anfasst, und wenn man zu derb hinlangt, splittern die Blütenblättchen ab. Furchtbar, dachte ich. Aber dann spazierte ich an einem Sommersonntag an einem Bauerngarten vorbei. Bauerngärten sind viereckig und von einem Zaun umgeben, der die Hühner und sonstiges Viehzeug zurückhält. Nur die Bäuerin darf hinein, um zu gießen, zu säen und zu ernten. In einem Bauerngarten ist ein Regenfass und ganz selten eine Bank, weil eine Bauersfrau keine Zeit hat, sich hinzusetzen und sich zu sonnen.

In jenem Bauerngarten blühte der Phlox, setzte das Blaukraut dicke Köpfe an, gediehen Salat und Möhren. Und es gab eine Beeteinfassung aus Strohblumen. Strohblumen auf grünen Stängeln, mit saftigen Blättern, weiß, gelb, rot, orange, goldbraun. Dicke, pralle Blütenköpfchen, und richtig lebendig. Wie es in vielen Filmen so geht, erwuchs aus meiner Abneigung ganz plötzlich eine tiefe Zuneigung.

Nach einem Gespräch mit der Bäuerin wusste ich, dass es Strohblumensetzlinge ganz schwer zu kaufen gibt. Man sät selber. Sie halten nur einen Sommer. Zum Trocknen schneidet man die Blüten früh ab, wenn sie noch nicht ganz offen sind, möglichst knospig. Aber das kommt für mich ja nicht in Frage.

Auf dem Blumenmarkt kaufte ich Samen. Die Tütchen trugen wundervolle Namen: Bronzekugel, Flammenkugel, Purpurkugel, Goldkugel, Weißkugel. Und eine Sorte nennt sich Hot Bikini. Sie lieben die Sonne, feuchtwarmen Boden. Die botanische Bezeichnung ist Bracteantha. Sieben einjährige Kräuter und Stauden dieser Art kamen aus Australien zu uns, um Mitte des 19. Jahrhunderts die Modeblume zu werden.

Jetzt wachsen sie also auch bei mir, besonders prächtig natürlich bei heißem Wetter, das sie an ihre Heimat erinnert. Sie dürfen blühen, bis sie abfallen, bis ihr Laub grau wird im ersten Frost. Sie sind meine Sommerliebe.

Ursula Friedrich

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