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Menschenrechte: Kein Urlaub vom Gewissen

Günter Nooke ist der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung. Er will, dass deutsche Touristen ihre Gastländer kritisieren.

Hinter dem Zaun der Ferienanlage herrschen Polizeigewalt, Folter und Willkürjustiz – das ist die Realität in vielen Urlaubsländern der Deutschen, von der die Reisenden oft wenig mitbekommen. Nach dem Willen der Bundesregierung soll das jetzt anders werden. Deutsche Touristen sollen sich künftig kritischer auseinandersetzen mit der Menschenrechtslage in ihren Ferienländern. Das forderte gestern Günter Nooke (CDU), der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung. „Es gibt eine andere Realität abseits von Strand und Palmen", sagte Nooke. „Gerade die außereuropäischen Hauptreiseziele der Deutschen führen in Länder mit katastrophaler Menschenrechtsbilanz." Betroffen sind auch Länder, in denen die Deutschen besonders gerne Urlaub machen. Nooke berichtete von religiösen Verfolgungen in Ägypten, von Polizeiwillkür in Thailand und der Misshandlung von Arbeitsmigranten in der Dominikanischen Republik.

Beispiel Türkei: Im Jahr 2006 reisten rund 3,7 Millionen Deutsche dorthin, damit ist die Türkei das beliebteste außereuropäische Urlaubsland unter deutschen Touristen. Dabei werden in der Türkei immer noch Schriftsteller und Journalisten bedroht, in staatlichen Gefängnissen gibt es nach wie vor Misshandlung und Folter. Mit Blick auf die Türkei warnte der Menschenrechtsbeauftragte Nooke daher vor einer „falschen Solidarisierung mit Unrecht“ – zum Beispiel beim Thema der sogenannten „Ehrenmorde“, die in der Türkei nur selten konsequent verfolgt würden. „Deutsche Touristen sollten nicht unangemessen viel Verständnis für die Andersartigkeit anderer Länder aufbringen, wenn dort die Menschenrechte verletzt werden“, sagte Nooke.

Trotzdem will die Bundesregierung niemanden zum Reiseboykott bestimmter Länder auffordern. Unter Einbußen im Tourismusgeschäft würden schließlich nicht nur die politischen Regime zu leiden haben, sondern auch die einfache Bevölkerung dieser Länder. Stattdessen, so lautet der Appell des Menschenrechtsbeauftragten, sollten deutsche Urlauber sich vor ihrer Reise über Menschenrechtsverletzungen informieren und mit den Einheimischen vor Ort über die Missstände sprechen. „Wenn Touristen immer wieder auf die Einhaltung von Menschenrechten pochen, geraten auch Diktaturen unter Druck“, sagte Nooke. Schließlich sei mit dem Tourismus eine große Marktmacht verbunden, die Devisen ins Land spüle. Und für die Menschen in geschlossenen Gesellschaften bedeute der Besuch von interessierten Touristen eine willkommene Öffnung.

So wie in Kuba, wo Urlauber die hohe Zahl an politischen Gefangenen ansprechen könnten. Dabei warnt Nooke aber auch vor übertriebenem Aktionismus: „Ich erwarte nicht, dass der deutsche Tourist auf dem Marktplatz von Havanna einen Protestmarsch anführt."

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