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Foto: AFP

© REUTERS

Panorama: Millionäre wie du und ich

Sie machen ein Vermögen im Internet – auf traditionelle Statussymbole legen sie keinen Wert.

Aaron Patzer wohnt zur Untermiete in Palo Alto. Der 30-jährige Amerikaner zahlt gerade mal 850 Dollar für eine Zweizimmerwohnung im Herzen von Silicon Valley. In der Garage steht ein alter Ford Contour, Baujahr 1996. Und wenn Patzer seine Eltern im weit entfernten Minnesota besuchen will, dann bucht er meist ein Billigticket über „Expedia.com“.

Eigentlich ganz normal für einen 30-Jährigen, der gerade ins Jobleben startet. Doch Patzer ist wahrlich kein gewöhnlicher Berufsanfänger. Der sympathische Lockenkopf hat vor drei Jahren seine Internet-Start-up-Firma „Mint.com“ verkauft. Für 170 Millionen Dollar. Heute arbeitet er als einer der Topmanager für die Software-Company „Intuit“.

Patzers offensichtliche Bescheidenheit ist nur ein Beispiel für eine neue Generation von jungen Internetmillionären, die dieser Tage aus dem Technologie-Tal vor den Toren San Franciscos emporsteigt. „Geld bedeutet mir nichts, außer ein bisschen Sicherheit im Leben“, sagt Patzer.

Warum immer mehr junge Superstars, die Internetideen entwickeln und dann für viel Geld weiterverkaufen, traditionelle Statussymbole ablehnen, versucht Patzer mit Sätzen zu erklären wie „Wohlstand braucht einen tieferen Sinn als nur dicke Häuser und protzige Autos“ oder „Ich möchte für meine Ideen, nicht für meine Kohle in Erinnerung bleiben“.

Dustin Moskovitz ist gerade mal 27 Jahre alt. Laut dem Magazin „Forbes“ ist er der jüngste Milliardär der Welt. Er ist acht Tage jünger als sein Harvard-Kollege Mark Zuckerberg. Zusammen gründeten die beiden ehemaligen Studenten Facebook. Moskovitz könnte sich nicht nur sein eigenes Flugzeug leisten, auch dürfte wohl jede Immobilie in San Francisco , sei sie auch noch so teuer, in unmittelbarer Scheckbuch-Reichweite liegen. Doch Moskovitz wohnt in einer kleinen Wohnung in San Francisco. Zur Arbeit fährt er nicht im Rolls-Royce, sondern mit dem Fahrrad. Wenn er Termine wahrnehmen muss, dann bucht er sich ein Economy-Ticket. Oder fährt selbst in seinem geleasten Subaru.

Ganz besonders stolz ist der junge Milliardär darauf, dass er jeden Monat „ein bisschen Geld zur Seite legt“. Für seine philanthropische Foundation. Wie auch Zuckerberg, so hat sich der 27-Jährige geschworen, sein gesamtes Vermögen noch zu Lebzeiten wegzugeben. „Gegenstände können dir kein Glück garantieren“, sagt Moskovitz. Und weiter: „Immer, wenn ich mir vorstelle, mir etwas ganz Tolles zu kaufen, merke ich, dass mein Leben dadurch keinen höheren Stellenwert bekommt. Also lasse ich es sein.“

Alles nur gespielt? Nun wissen auch Internetmillionäre, dass sich die Welt im Moment in einer schwierigen Situation befindet. Rezession, Arbeitslosigkeit und überbezahlte Internetmanager, das passt irgendwie nicht zusammen. Ist also diese neue Bescheidenheit nur gespielt, um die Nicht-Millionäre zu besänftigen? „Nein“, sagt Alice Marwick, Wissenschaftlerin von Microsoft. Ihre Doktorarbeit für die New York University beschäftigte sich mit dem sozialen Status in der Welt der Internetmacher. „Es ist ja nicht so, dass diese neue Generation von Tech-Innovatoren keinen Status sucht. Sie will ihn nur anders als bisher erreichen“, so Marwick. „Tech-Millionäre hängen nicht mit Promis herum, gehen nicht den roten Teppich herunter und lassen sich nicht zum Dinner in einer Limousine herumkutschieren“, erzählt die Wissenschaftlerin weiter.

Die neue reiche Silicon-Valley-Generation – nach den Recherchen von Marwick übrigens noch immer sehr männlich – misst Erfolg nicht danach, was sie sich kaufen, sondern was sie aufbauen kann. „Du brauchst keinen Aston Martin in der Auffahrt“, sagt Drew Houston, CEO und Gründer von Dropbox, einem Start-up aus San Francisco, der mittlerweile 25 Millionen Nutzern hilft, Fotos und Videos online zu organisieren. „Es ist wichtiger, die Freiheit und die Unabhängigkeit zu haben, etwas Großes für die Menschen da draußen in der Onlinewelt zu bauen“, sagt der 28-jährige Multimillionär.

Aber Reichtum hat auch für die vielen Internetmogule die Türen für gewisse Privilegien geöffnet. Bei Patzer mag vielleicht ein alter Fernseher im Wohnzimmer stehen, aber seine Millionen ermöglichen es dem 30-Jährigen dann doch, einmal im Jahr ein paar gute Freunde auf eine Segeljacht in die British Virgin Islands einzuladen.

Und seinem jüngeren Bruder hat er ein Studium der Computerwissenschaften finanziert. „Dafür muss er mir beim nächsten Umzug helfen“, sagt Patzer und steigt in den nächsten Nahverkehrsbus. Die Batterie in seinem Ford Contour hat die Nacht nicht überstanden.

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