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Beim Haftantritt. Vicky Pryce mit ihren öffentlichen Unterstützerinnen.

© Reuters

Minister Chris Huhne im Ehekrieg: Die bittere Rache einer betrogenen Politikerfrau

Wie der britische Minister Chris Huhne und seine Frau Vicky Pryce mit aller Kraft ihr Leben ruinierten – ein Sittenstück. Die angesehene Ökonomin hat sich selber vernichtet, weil sie nicht auf Rache verzichten wollte.

An guten Ratschlägen fehlte es dem früheren britischen Minister Chris Huhne nicht, als er im Gefängnis Wandsworth eine achtmonatige Haftstrafe antrat. Schon andere britische Politiker mussten den Schandweg antreten, ein Exempel für alle, wie Premier David Cameron flugs in Erinnerung brachte: „Wie hoch und mächtig einer auch ist, keiner ist außer Reichweite der Justiz.“ Jonathan Aitken, ein wegen Meineids verurteilter einstiger Finanzminister, erinnerte sich an die „gruseligen Rituale“ im Gefängnis. „Wenn du zu viel auf dich gibst, werden sie dir das Leben zur Hölle machen. Du bist ganz unten im Haufen.“

Weniger Ratschläge gab es für Chris Huhnes mitangeklagte Exfrau Vicky Pryce, Mutter seiner Kinder, die als Rachegöttin den Untergang des Ministers herbeiführte und sich wie eine Furie dabei selbst vernichtete. Sie erhielt ebenfalls acht Monate, als Komplizin der Tat, „Perversion des Laufs der Gerechtigkeit“, wie es in englischer Gerichtssprache heißt.

Chris Huhne und Vicky Pryce. Mit der Doppelverurteilung des Power-Paars aus der Londoner Politikszene geht ein Skandal zu Ende, der in die Lehrbücher der Selbstzerstörung eingehen wird, die man Tragödien – oder Tragikomödien nennt. Zusammen standen sie vor dem Richter, noch einmal ein Paar, stumm, sahen starr vor sich hin. Nur Vicky neigte den Kopf, als der Richter sagte: „Wenn es hier ein Element von Tragödie gibt, ist es voll und ganz Ihre eigene Schuld.“

Huhne war 2003 bei einer nächtlichen Fahrt vom Flughafen nach London in seinem BMW geblitzt worden und drei Strafpunkte waren fällig – neun hatte er schon. Den Führerschein aber brauchte er für den Wahlkampf, also übernahm Frau Vicky die Punkte. 2005 wurde er Unterhausabgeordneter, 2007 wäre er fast Parteichef der Liberaldemokraten geworden, 2010 Klima- und Energieminister. Nun war er bedeutend genug, dass die britische Presse publizierte, was sie schon länger wusste: seine Affäre mit seiner Pressesprecherin Carina Trimingham. Es war eine pikante Geschichte, denn Carina lebte in lesbischer Ehe und ließ für den frisch gebackenen Minister ihre frisch geheiratete Zivilpartnerin im Stich.

Vicky Pryce, damals 57 Jahre, bis zur Ministerernennung ihres Mannes Chefökonomin im Wirtschaftsministerium, stand nach 26 Ehejahren plötzlich allein und öffentlich gedemütigt da und sann auf Rache. Befreundete Journalistinnen, prominente Medienkommentatorinnen, sogar eine Richterin halfen ihr mit Rat und Tat. Die Story mit den weitergegebenen Verkehrssünderpunkten wurde lanciert. Huhne leugnete, Pryce spann die Geschichte weiter, bis der Staatsanwaltschaft nichts übrig blieb, als beide zu verklagen. Huhne musste als Minister zurücktreten, schwor aber, seine Unschuld zu beweisen. Erst am Morgen des Prozesses gab er auf, bekannte seine Schuld und trat auch als Parlamentarier zurück – nach der Ehe war auch die Karriere eines kompetenten Ministers völlig zerstört. Pryce behauptete, Opfer ihres herrschsüchtigen, tyrannischen, egoistischen Mannes gewesen zu sein. Im Gericht wurden von ihr mitgeschnittene Telefonanrufe abgespielt, in denen sie ihn dazu bringen wollte, sich zu verraten. Persönliche E-Mails wurden verlesen, SMS des 18-jährigen Sohnes, der seinen Vater hasste. Sogar eine Abtreibung musste herhalten, um Huhnes angebliche Kontrollsucht zu beweisen. Ganz Großbritannien verfolgte, wie die Rache einer betrogenen Frau und die Arroganz eines Ehrgeizigen die Würde einer Familie zerstörten.

Freundinnen wie die Journalistin Yasmin Aliubhai-Brown versuchten eine Erklärung. Liebe habe bei Vicky „einen Draht locker gemacht“. „Die Stürme haben ihr Herz überschwemmt. Sie ist die begabteste, vernünftigste, stabilste Frau, die man sich denken kann. Aber sie wollte ihre Demütigung nicht einfach schweigend hinnehmen. Aber die Gesellschaft hat keine Zeit für wütende, verratene Frauen.“Matthias Thibaut

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