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Missbrauch: Glitter – frei und geächtet

Gary Glitter, der Star der 70er Jahre, hat seine Strafe in Vietnam abgesessen. Bei einer Rückkehr nach England wartet erneut die Polizei.

Glatze, weißer Spitzbart, im Nacken ein Büschel Haare: so saß Gary Glitter – in den 70er Jahren ein Glamrockstar mit 20 Millionen verkauften Platten – in Vietnam auf der Anklagebank. „Drei Jahre Haft wegen obszöner Taten gegen Kinder“ , sagte Richter Hoang Tung im März 2006. Glitter habe zwei Mädchen, ein elfjähriges und ein zwölfjähriges, sexuell genötigt, er habe sie beim Baden begrabscht und geküsst. Nun, gestern, nach 27 Monaten Gefängnis, ist der 64-Jährige freigelassen worden. Im Berufungsverfahren war die Strafe reduziert worden.

„Er hat die Haftanstalt am Morgen verlassen und ist jetzt schon weit weg“, sagte Gefängnisdirektor Tran Huu Thong. Polizisten sollen Glitter zum Flughafen gebracht haben. Angeblich will er nach Hause, nach England. „Er wird abgeschoben. In London wartet keine Strafverfolgung auf ihn“, meint sein Anwalt. Das mag stimmen. Allerdings ist Glitter in England vorbestraft, weil auf seinem Computer Nacktfotos von Kindern gefunden wurden, die ein Richter „zur allerschlimmsten Sorte“ zählte. Offenbar war ein zweijähriges Kind zu sehen, das gefesselt gefoltert wurde. Glitter gestand das Herunterladen von 54 Fotos aus dem Internet und wurde zu vier Monaten Haft verurteilt.

Sollte er nun wirklich nach England zurückkehren, werden laut einem Bericht des britischen Senders BBC Polizisten auf ihn warten. Sie könnten ihn überwachen oder anordnen, dass er seinen Wohnsitz meldet, das Internet nicht nutzt und sich von Kindern fernhält. Ob Glitter wirklich nach Hause fliegt, ist unklar. Denn selbst falls er ein Ticket nach London löste: Es gibt keinen direkten Flug aus Vietnam, er könnte um- oder aussteigen. Erster Stopp ist Thailands Hauptstadt Bangkok.

Gary Glitter heißt mit bürgerlichem Namen Paul Gadd. Seinen Vater lernte er nie kennen, als Zehnjähriger landete er in einem Heim. Später wurde er Musiker. Nach Reinfällen gelang 1972 der Durchbruch. Glitters Single „Rock and Roll Part 1“ wurde ein Hit. Ein sattes Gitarren-Riff, rhythmisches Klatschen, fette Drums, ein grölbarer Refrain: Glitters Sound enthielt die Essenz des Glamrocks. Zwölf Top-Ten-Singles in Großbritannien, darunter „I am the Leader of the Gang“ machten Glitter zum Star. Ende der 70er Jahre verfiel er dem Alkohol, feierte aber 1984 mit „Dance me up“ ein Comeback. Später fand man die Kinderpornografie. Außerdem wurde Glitter angeklagt, Sex mit einer 14-Jährigen gehabt zu haben. Das Verfahren brach zusammen, weil das Mädchen einen Vertrag mit einer Zeitung geschlossen hatte. Der Teenager hätte bei einer Verurteilung Glitters Geld bekommen. 2000, nach kurzer Pornografiehaft, verließ er England. Die britische Presse verfolgte ihn. Nach Aufenthalten in Spanien und Kuba folgte eine Reise nach Kambodscha, wo Glitter nach Pädophilie-Verdacht des Landes verwiesen wurde. 2005 berichtete eine britische Zeitung, Glitter lebe mit zwei Mädchen in einem Strandhaus in Vietnam. Als die Polizei kam, war er verschwunden. Doch die beiden Mädchen, elf und zwölf Jahre jung, waren noch da. „Ich bin unschuldig. Das ist eine Verschwörung. Ihr wisst, von wem“, rief Glitter nach seiner Verurteilung. Wahrscheinlich meinte er die britische Presse.

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