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Missbrauchsvorwürfe: Razzia bei den Mönchen

Die Staatsanwalt ermittelt im bayerischen Kloster Ettal, Beamte durchsuchten die Gebäude. In Sachsen wurden drei frühere Ettal-Mönche von ihren Aufgaben suspendiert.

Im Skandal um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche hat es zum ersten Mal eine Razzia in einem Kloster gegeben. Von den Nachmittagsstunden an haben die Ermittler der Münchner Staatsanwaltschaft das oberbayerische Kloster Ettal durchsucht. Die Ermittler prüften, ob die Klosterarchive strafrechtlich Verwertbares zu den teils Jahrzehnte zurückliegenden Missbrauchsfällen hergeben.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit vergangener Woche wegen sexuellen Missbauchs von Ordensleuten an Zöglingen. Mindestens 20 Schüler haben sich bislang gemeldet und von sexuellen Übergriffen oder körperlicher Züchtigung bis hin zu massiven Schlägen berichtet. Die Vorwürfe richten sich gegen vier Patres, von denen einer bereits gestorben ist.

Der Skandal führte inzwischen auch zu personellen Konsequenzen in einem Benediktinerkloster in Sachsen. Drei Mönche wurden mit sofortiger Wirkung von ihren Aufgaben im Kloster Wechselburg suspendiert und von ihren seelsorgerischen Aufgaben entbunden. Gegen sie lägen Missbrauchsvorwürfe aus ihrer Zeit an der Schule und dem Internat in Ettal vor, teilte das Bistum Dresden-Meißen mit. Was genau den Männern vorgeworfen wird, wisse man nicht, sagte ein Bistumssprecher.

Bischof Joachim Reinelt kündigte an, Anhaltspunkten auf mögliche Verdachtsfälle gründlich nachzugehen. Einer der drei Mönche sei für das Jugend- und Familienhaus des Klosters in Wechselburg verantwortlich gewesen.

Die Durchsuchungen in dem oberbayerischen Vorzeigeinternat des Benediktinerordens sind ein vorläufiger Tiefpunkt in dem Skandal um Gewalt und sexuellen Missbrauch in katholischen Erziehungseinrichtungen. Seitdem Ende Januar erste Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg bekannt geworden sind, haben sich bereits mehr als 150 Betroffene gemeldet. Die meisten Fälle in verschiedenen katholischen Einrichtungen in ganz Deutschland liegen Jahrzehnte zurück.

Nach Einschätzung des Vereins ehemaliger Heimkinder sind viel mehr Kinder und Jugendliche in katholischen Einrichtungen sexuell missbraucht worden als bislang angenommen. Rund 70 Prozent der 450 Vereinsmitglieder wurden nach Einschätzung der Vereinsvorsitzenden Monika Tschapek-Güntner in der Kindheit und Jugend in Heimen missbraucht. Der Missbrauch reiche bis zur Vergewaltigung.

Seit Bekanntwerden des Missbrauchsskandals an Jesuitenschulen Ende Januar meldeten sich jeden Tag zahlreiche Opfer bei Tschapek-Güntner. "Leute rufen an und sagen: 'Mir ist das auch passiert'", sagte sie. "Die Menschen halten es nicht mehr aus und müssen reden."

Tschapek-Güntner warf der katholischen Kirche "Falschheit" vor. Zwar wolle die Kirche den Eindruck erwecken, die Missbrauchsfälle aufklären zu wollen, jahrelang habe sie Opfer aber unter Druck gesetzt oder mit Geld zum Schweigen gebracht. "Da wird die Decke der Verschwiegenheit ausgebreitet. Das ist grausam und das halten wir kaum aus."

Der langjährige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, wies den Vorwurf der systematischen Vertuschung dagegen scharf zurück. "Dies ist eine ganz und gar unberechtigte Unterstellung", schrieb der Bischof von Mainz in seiner Veröffentlichung "Auf ein Wort" für März 2010 und sprach von Verleumdung. Früher habe es vielleicht "eine Verharmlosung oder gar Verniedlichung in einzelnen Fällen gegeben". Seit Jahren bemühe sich die Kirche aber nun schon um Aufklärung, betonte Lehmann. "Es ist also barer Unsinn zu behaupten, die katholische Kirche habe keinen überzeugenden Willen zur Aufklärung."

Genau dies hatte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der katholischen Kirche vorgeworfen und erwägt nun eine Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungspflichten. Bislang können minderjährige Missbrauchsopfer noch bis drei Jahre nach ihrem 21. Geburtstag Anspruch auf Entschädigung erheben. "Das ist oft zu kurz", sagte die FDP-Politikerin. Die Ausweitung strafrechtlicher Verjährungsfristen sei zwar problematisch, einer Verlängerung der Anspruchsfristen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld stehe sie aber positiv gegenüber. Auch wenn mit Geld ohnehin nichts gutzumachen sei, sei das ein "Zeichen an die Opfer".

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, AFP

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