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Panorama: Mit Bescheidenheit zum großen Glück

Mit 15 hat man Pickel, ist unglücklich verliebt, genervt von der Schule und kriegt zu wenig Taschengeld. Trotzdem sollte man die Teenager-Jahre in vollen Zügen genießen, denn danach geht es stetig bergab mit den Glücksgefühlen, und spätestens ab 30 ist dann erst mal für lange Zeit Schluss mit lustig.

Mit 15 hat man Pickel, ist unglücklich verliebt, genervt von der Schule und kriegt zu wenig Taschengeld. Trotzdem sollte man die Teenager-Jahre in vollen Zügen genießen, denn danach geht es stetig bergab mit den Glücksgefühlen, und spätestens ab 30 ist dann erst mal für lange Zeit Schluss mit lustig. Das hat das Institut für Sozial- und Wirtschaftsforschung der Universität Essex bei einer Umfrage herausgefunden.

10 000 Briten zwischen 15 und 90 verrieten, wie zufrieden sie mit ihrem Leben sind. Gefragt wurde nach sieben Bereichen: Gesundheit, Einkommen, soziale Kontakte, Job, Partner, Wohnen und Freizeit. Auf einer Skala von 7 (total) bis 1 (überhaupt nicht) mussten die Probanden ihre Zufriedenheit im jeweiligen Bereich einordnen. Ergänzend wurden sie gefragt, wie glücklich sie mit ihrem Leben im Allgemeinen sind.

"So bekamen wir einen groben Überblick, der sich dann anhand der einzelnen Bereiche aufschlüsseln und analysieren lässt", erklärt der Soziologe Jonathan Scales, der die Studie ausarbeitete und durchführte - zusammen mit der Future Foundation (FF), einem Londoner Unternehmen, das sich mit der Erforschung gesellschaftlicher Trends befasst. Schon die allgemeine Frage nach dem Lebensglück zeigt: Am glücklichsten sind die 15-Jährigen. Danach beginnt offenbar ein rapider Abwärtstrend bis zum Tiefpunkt bei den 30- bis 50-Jährigen. Erst bei den Endfünfzigern steigt die Glückskurve allmählich an. Bei den 70-Jährigen schließlich verzeichnet die Studie Höchstwerte - sie stuften ihre Zufriedenheit beim Wert 5,7 ein - wie die über ein halbes Jahrhundert jüngeren Teens.

Was lässt die 30- bis 50-Jährigen so mit ihrem Leben hadern? "Eine Schlüsselrolle spielt dabei die fehlende Freizeit", sagt William Nelson von der FF. "Zwischen 30 und 40 sind die Leute eingespannt in ihrem Beruf oder machen Karriere. Sie tragen sehr viel Verantwortung, bezahlen das aber mit dem Verzicht auf freie Zeit."

Am meisten klagten die 35-Jährigen über den Mangel an Freizeit. Auch bei deren Gestaltung liegt die Zufriedenheit bei den 28- bis 48-Jährigen im unteren Bereich. Unzufrieden ist diese Altersgruppe auch mit ihrem Sozialleben. Hier stürzt die Kurve von den Teenagern stetig und steil, bis sie bei den Mittdreißigern die Talsohle erreicht. "Der Job schluckt so viel Kraft und Zeit, dass nicht genug übrig bleibt für die befriedigende Pflege von Freundschaften", sagt Nelson.

Erst die Befragten ab Anfang 50 bewerteten ihre Freizeit positiv, und besonders die Endsechziger sind auch mit ihren sozialen Kontakten zufrieden. Die höchsten Werte gaben in beiden Bereichen die 65- bis 90-Jährigen an. "Für Menschen in diesem Alter steigt die Lebensqualität. Sie haben mehr Zeit für sich und fühlen sich nicht mehr durch den Job fremdbestimmt", sagt Scales.

Beim Thema Geld beginnt die Unzufriedenheit schon bei den 19-Jährigen und zieht sich durch bis zu den Befragten Ende 50. Zwei gesamte Generationen wählten bezüglich ihrer finanziellen Lage nur einen Wert von durchschnittlich vier. Der Job selbst gibt den meisten weder besonderen Anlass zur Freude noch zu Missmut.

In allen Lebensbereichen liegen die älteren Jahrgänge in ihrer Zufriedenheit um Längen vorne. Nur die Gesundheit bewerteten die 55- bis 85-Jährigen im Schnitt mit nur 4,6 Punkten. Das Geld, das ihnen zur Verfügung steht, reicht der Mehrheit von ihnen offenbar. Am rosigsten sehen die Befragten Mitte 80 ihre finanzielle Lage. "Das hat nichts mit tatsächlichem Wohlstand zu tun", erläuert Nelson. "Diese Generation hat bescheidenere Erwartungen an ihren Lebensstandard. Sie haben den Krieg oder die unmittelbare Nachkriegszeit miterlebt und sehen,dass es ihnen im Laufe ihres Lebens immer besser ging."

Nelson vermutet, dass dieses Muster nur für die zwischen 1920 und 1940 Geborenen typisch ist und sich in Zukunft verändern wird. "Schon wegen der unsicheren Rentenlage wird es für zukünftige Pensionäre sehr schwierig sein, denselben Lebensstandard zu halten. Ich rechne tendenziell mit einem Anstieg der Unzufriedenheit - zumindest im Bereich Wohnen und Finanzen."

Der große Lichtblick scheint für alle Altersgruppen die Partnerschaft zu sein: Die 19-Jährigen sind im Schnitt glücklich mit ihrem Partner (6 Punkte). Bei den "Twenty-somethings" bis zu den 20 Jahre Älteren bleibt dieses Niveau und steigt dann stetig bei den Mittfünfzigern. Die 75-Jährigen liegen schon fast im Bereich "total zufrieden" (6,8 Punkte). "Diese Generation hat eine andere Einstellung zu Partnerschaft und eine andere Art, darüber zu sprechen", erklärt Nelson. "Die jungen Leute beschweren sich häufiger über ihre Beziehung."

Ruth Franziska Hoffmann

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