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Schatzkästlein der Weltgeschichte. Seit Jahrhunderten werden Zitate gesammelt. Gemälde von Jean Baptiste Simeon Chardin (1699–1779). Foto: mauritius images

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Mit dem richtigen Zitat lassen sich Gedankenfeuerwerke zünden: Weise Worte

Zitate sind eine Verbeugung vor den Mächtigen der Sprache – wie man sie nutzen kann.

Wer zitiert, fühlt sich zu Hause in der Weltgeschichte. Er tritt heraus aus der Enge seines eigenen Horizonts in die Weite der Weisheit, die große Denker über die Jahrhunderte in die Welt gebracht haben. Selber reden ist gut und schön – für den Hausgebrauch. Zitieren ist die Kunst, sich und seine Botschaft in einen größeren Zusammenhang einzuordnen. Die Kunst auch, sich zu verbeugen vor den Mächtigen der Sprache, die vielleicht schon vor tausend Jahren formuliert haben, was bis heute nicht besser auszudrücken ist.

Als unterhaltsamer Einstieg für Reden und Aufsätze ist das Zitat ein Klassiker. Manchmal macht ihm die Anekdote Konkurrenz, aber das ist auch heute noch eher im angloamerikanischen Raum der Fall. Im deutschsprachigen Raum liebt man es nach wie vor etwas ernster und gehaltvoller. In einem Referat über Zitate würde das zum Beispiel so lauten: „Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen dem Blitz und einem Glühwürmchen.“ Das ist zwar auch einem Amerikaner eingefallen, nämlich Mark Twain, aber dieser Satz unterstreicht so schön die Notwendigkeit des Zitierens. Die Gabe, Blitze in die Welt zu senden, ist schließlich längst nicht jedem gegeben. Manche würden sagen, sie ist den Göttern vorbehalten. Aber als Glühwürmchen möchte man als Mensch auf dem Podium nun auch nicht dastehen.

Vieles wird heute von allen gesagt. Das Internet hat zahlreiche Segnungen, zum Beispiel die Möglichkeit, jederzeit vom Smartphone auf Büchmanns „Geflügelte Worte“ zurückgreifen zu können, jenem Schatzkästlein weiser Worte der Weltgeschichte, das den Bücherschrank der Großeltern ähnlich ziert wie die „Film Quotes“ das Billy-Regal der Eltern. Das englische Wort „Quote“ für Zitat, entspricht in der Schreibweise dem deutschen Wort „Quote“, vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass beim „Quote Surfing“ die Quote der Blitzgedanken noch größer wird als bei reinem Nachschlagen. Denn leider zeigt gerade das Netz viel zu oft, wie langweilig endlose Elogen sein können, wie banal die Wortteppiche, die da von jedem Unberufenen ausgebreitet werden, der seinen Teil auch noch beitragen möchte zu einer gerade angezettelten Debatte. Dieser Notstand an geistreichen Texten schürt den Hunger auf die geschliffene, kluge, an Gedanken reiche Rede, auf Briefe, die wie Gedankenfeuerwerke wirken, auch wenn sie am Ende als Mail verschickt werden. Gerade die Beliebigkeit des Internets macht die Suche nach der besten Form für den gedankenschweren, blitzhaften Inhalt lohnenswert.

Wer heute genervt ist von der um sich greifenden Larmoyanz, von der Unkultur der Shit-Storms, könnte ein nassforsches „Nich’ meckern. Machen!“ in die Runde werfen. Und gnadenlos als Besserwisser durchfallen. Der kluge Poet greift auf Konfuzius zurück: „Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen.“ Das gibt dem Gedanken gleich mehr Gewicht und die Tiefe der Historie dazu. Dem Pöbel wird man damit nicht Einhalt gebieten, aber man wird Anhänger finden unter jenen, die aus der Welt einen besseren Ort machen möchten – auch und gerade mit dem Wort, das am Anfang war. Wer andere motivieren will, kann seinen Gemütszustand auch mit Augustinus vermitteln: „Was du in anderen entzünden willst, muss in dir selbst brennen.“ Und ab geht die Post, zum Beispiel mit einem emotionalen Plädoyer für den Bürokratieabbau in der Unternehmensverwaltung.

Selbst Provokationen werden viel eleganter und treffsicherer, wenn man sie nicht nur mit den eigenen Worten formuliert, sondern einen anderen sprechen lässt. Konrad Adenauer war berühmt für flotte Sprüche. Viele sind zeitlos schön und vielfältig anwendbar, zum Beispiel dieser: „Die zehn Gebote sind deshalb so eindeutig, weil sie nicht auf einer Konferenz beschlossen wurden.“ Was für ein Trost für alle, die sich gerade an Endlos-Präsentationen delektieren durften und Mühe hatten, dabei nicht einzuschlafen. Die dazu passende Überleitung könnte lauten: „Glücklicherweise sind wir heute schon weiter …“. Die Mahnung des Alten steht trotzdem fest im Raum. Wer zitiert zeigt, dass er seine eigenen Grenzen kennt und akzeptiert. Auf dem Weg zu höherer Weisheit befindet er sich damit schon im guten Mittelfeld. Schließlich ist Demut der Weg zur Größe. Das hat auch Woody Allen erkannt, als er selbstbewusst den ursprünglichen Mechanismus manch männlicher Karriereleiter beschrieb: „Ich habe keine Ahnung, was ich da tue. Aber Inkompetenz hat mich auch noch nie von etwas abgehalten.“

Mit Zitaten kann man Dinge ausdrücken, die man selber nicht sagen sollte, würde, könnte. Man kann nicht nur Demut zum Ausdruck bringen, ohne sich selbst vorm Publikum zu erniedrigen, man kann sogar arrogant sein – und es anderen in die Schuhe schieben. Zitate machen Vorträge und Festreden unterhaltsam und also erträglich und befreien Reden bei Familienfeiern von Banalität und Peinlichkeiten. Sie schmücken, sie erheben, sie präsentieren den Zitierer als belesenen Menschen, der im Geist auf Augenhöhe mit den Größen der Weltgeschichte kommuniziert.

Manche Zitate führt man so achtlos im Mund, als habe man sie selber erfunden oder als seien sie immer schon da gewesen. „Der Weg ist das Ziel.“ Tja, von wem könnte das wohl stammen? Christoph Kolumbus? Alexander von Humboldt? John Steinbeck? Viel älter. Auch dies hat Konfuzius erdacht. Ein Satz von zeitloser Schönheit, der heute so wahr ist wie vor 2500 Jahren.

Der Weg zum genau richtigen Zitat, zum Blitz, der das Publikum mit Wucht und Wonne trifft, führt durch blühende Felder geistreicher Formulierungen. Ja, es macht Spaß, sich bei der Suche festzulesen. Die geflügelten Worte der Großeltern haben die Enge des Buches hinter sich gelassen und verbreiten das in Sätzen komprimierte Wissen der Welt in den Äonen des Netzes.

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