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Heesters

© dpa

Panorama: Mit den Nazis ist jetzt aber Schluss

Johannes Heesters hat den Prozess verloren – und will nie wieder über die NS-Zeit reden. Der Schauspieler hat einen Monat Zeit, Berufung einzulegen

Ob Johannes Heesters im Mai 1941 bei einem Besuch im KZ Dachau vor SS-Männern gesungen hat, wird sich – so hat das Berliner Landgericht am Dienstag befunden – nicht mehr klären lassen. Man darf es aber weiterhin behaupten. Der holländische Entertainer, der vor kurzem den 105. Geburtstag feierte, hat seinen Prozess gegen den Berliner Publizisten Volker Kühn verloren. Seine Klage auf Unterlassung und Widerruf wurde abgewiesen. Kühn, ein renommierter Kabarett-Historiker, hat te geschrieben, Heesters habe bei dem Besuch „zur Erbauung der SS-Wachmannschaften“ Operettenhits intoniert. Für eine solche Aussage, so begründete der Vorsitzende Richter Michael Mauck das Urteil, sei die Faktenlage ausreichend. Immerhin gäbe es „gewisse Anhaltspunkte“ dafür, dass der Schauspieler und Sänger das Konzentrationslager nicht nur besichtigt habe, sondern dort auch aufgetreten sei.

Heesters hat einen Monat Zeit, Berufung einzulegen. Zur Verkündung und Begründung des Urteils benötigte das Gericht drei Minuten, anschließend umringten Kamerateams und Reporter den Sieger des Verfahrens. Heesters und sein Münchner Anwalt waren nicht nach Berlin gekommen. Kühn zeigte sich „erleichtert“, kündigte aber an, sich zu Heesters Besuch in Dachau künftig nicht mehr äußern zu wollen: „Was ich zu sagen hatte, habe ich gesagt.“ Mit Heesters Rolle im Dritten Reich hatte er sich 2004 in dem Buch „Hitlers Künstler“ und 2006 in dem preisgekrönten Hörbuch „Mit den Wölfen geheult“ beschäftigt. Dabei nannte er auch die Schlager, die Heesters in Dachau gesungen haben könnte: „Ich bin ein Star, ein Kinostar“, „Der Dumme hat’s Glück“, „Mein schönes Fräulein, gute Nacht“ und „Gebundene Hände“.

Sie stammen aus der Musikkomödie „Axel an der Himmeltür“ von Ralph Be natzky, die damals auf dem Programm des Münchner Gärtnerplatz-Theaters stand. Mit dem Ensemble dieses Theaters war Heesters nach Dachau eingeladen worden, eine Aufforderung, die wohl eher einem Befehl gleichgekommen war. Ein „Tag der offenen Tür“ sei diese Lagerbesichtigung gewesen, schrieb Heesters später etwas salopp in seinen Memoiren, und er sei von der Politik immer wieder bloß „benutzt“ worden.

Der KZ-Kommandant hatte sich bei den „lieben Künstlern, die uns durch einen frohen und heiteren Nachmittag erfreuten“, mit einem ledergebundenen Fotoalbum bedankt. Keines der Bilder zeigt Heesters singend. Welche Schlüsse daraus zu ziehen sind: schwer zu sagen. Das Berliner Urteil markiert einen Sieg der Meinungsfreiheit. Für den greisen Künstler bedeutet es das schmerzhafte Ende einer Illusion, sein Versuch, die Deutungshoheit über seine eigene Biografie zu behaupten, ist gescheitert. Nach dem Krieg hatte er sich immer wieder gegen Vorwürfe wehren müssen, ein NS-Profiteur gewesen zu sein. Seine niederländische Staatsangehörigkeit gab er nie auf, obwohl die Angriffe aus seiner alten Heimat besonders scharf waren und ihn dort 1964 bei einem abgebrochenen Theatergastspiel sogar „Heesters – SS“- Sprechchöre begrüßten.

Auf den ersten Blick wirkt alles sehr eindeutig. Als Johannes Heesters, ein strahlender Operettentenor, Mitte der dreißiger Jahre nach Deutschland kam, standen ihm alle Türen offen, weil die Nazis jüdische Konkurrenten wie Richard Tauber und Joseph Schmidt ins Exil gezwungen hatten. Er stieg rasch zum Ufa-Superstar auf und drehte bis 1945 21 Filme. Für seine Rolle als Graf Danilo Danilowitsch in Hitlers Lieblingsstück „Die Lustige Witwe“ überhäufte der „Führer“ ihn mit Lob. Aber er hatte auch die Courage, 1938 mit der „Gräfin Mariza“ in einer Produktion des jüdischen Theatermachers Fritz Hirsch auf eine Tournee durch Holland zu gehen und sich anschließend in Berlin dafür von Goebbels beschimpfen zu lassen.

Die Vergangenheit besteht für Heesters aus lauter Fallstricken. Kürzlich hatte er sich in einer Satiresendung des niederländischen Fernsehens um Kopf und Kragen geplaudert, als er meinte, Hitler sei „ein guter Kerl“ gewesen. Dafür entschuldigte er sich dann bei „Wetten, dass?“: „Ich habe vor ein paar Tagen etwas Dummes gesagt. Und dafür bitte ich um Verzeihung.“ Reaktion: Standing Ovations. Nun verspricht Heesters, sich nicht mehr zur NS-Zeit äußern zu wollen. Der „Bunten“ sagte er: „Alle Fragen zu dieser unglückseligen Zeit werde ich künftig nie beantworten, da ich meine Ablehnung dieses Nazi-Regimes oft genug erklärt habe.“

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