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Einmaliges Foto. US-Präsident Barack Obama mit Hillary Clinton in der CBS-Sendung „60 Minutes“.

© CBS/AP

Mit frischer Energie: Hillary Clinton inszeniert sich neu

Andere Frisur, anderes Outfit, andere Ausstrahlung – für Hillary Clinton beginnt offenbar ein neuer Lebensabschnitt. Als Obamas Nachfolgerin in vier Jahren? Ein gemeinsamer Auftritt der beiden facht Gerüchte an.

Neue Brille, neue Frisur und ein frisches Auftreten. Wer Amerikas Noch-Außenministerin Hillary Clinton in ihrem gemeinsamen Interview mit Präsident Barack Obama im Sender CBS sah, dem musste sich die Botschaft aufdrängen: Sie schlägt ein neues Kapitel in ihrem Leben auf.

Doch wohin wird der Weg führen? Darüber rätseln die USA nun. Nach der offiziellen Lesart war es ein Abschiedsinterview. Obama wollte ihr vor den Augen der Nation für vier Jahre aufopferungsvoller Arbeit als Außenministerin danken. Mit einer so unschuldigen Erklärung geben sich die Medien aber nicht zufrieden. Sie spekulieren seit Wochen, ob Clinton 2016 noch einmal als Präsidentschaftskandidatin antritt. Dazu passt ihr neues Outfit. Die elegante Frisur, die markante Hornbrille, der Blazer in kräftigem Magenta und ihre ruhige, aber entschiedene Sprache mit vielen Einsprengseln von Humor vermitteln den Eindruck einer ausgeruhten Frau voller Energie, die mit sich im Reinen ist und sich auf neue Herausforderungen freut.

In den letzten Monaten hatte man sie meist müde und erschöpft gesehen. Die physischen Strapazen der ständigen Reisen durch verschiedene Zeitzonen waren ihr anzusehen. Mehr als 300 Tage war sie in den vier Jahren unterwegs, hat 112 Länder besucht und mehr als 1,5 Millionen Flugkilometer zurückgelegt. Bald reichte ihr Zeitbudget kaum noch, um unterwegs ihre Frisur professionell auffrischen zu lassen. Sie ließ ihr Haar wachsen, band es oft als Pferdeschwanz zusammen.

Im Dezember streikte ihr Körper vollends – ausgerechnet in den Tagen, als sie vor dem Bengasi-Untersuchungsausschuss des Kongresses aussagen sollte, wie es zu der Ermordung des US-Botschafters Chris Stevens und drei weiterer Diplomaten am 11. September 2012 in Libyen kommen konnte. Sie war gerade aus Europa zurück, hatte nach ärztlicher Darstellung einen Magen-Darm-Infekt mitgebracht, trank zu wenig Wasser und verlor in ihrer Wohnung für einen Moment das Bewusstsein. Beim Sturz zog sie sich eine Gehirnerschütterung sowie eine Blutung im Kopf zu. Es dauerte Wochen, bis sie wieder voll arbeitsfähig war.

Vor wenigen Tagen blitzte bereits die wiedergewonnene Energie auf, als sie dem Bengasi-Ausschuss verspätet Rede und Antwort stand. Das erhöhte die Erwartungen an das gemeinsame Fernsehgespräch mit Obama zusätzlich. Als Präsident hatte er sich bisher nur mit Ehefrau Michelle für Doppelinterviews hergegeben. War das also eine indirekte Unterstützung für eine Hillary-Kandidatur 2016? Natürlich waren beide auf die Frage des Moderators Steve Kroft vorbereitet. „Oh, Steve …“, reagierte Clinton mit einem wegwerfenden Lachen. „Ihr Typen von der Presse seid unverbesserlich“, sekundierte Obama. „Meine Amtseinführung ist gerade mal vier Tage her, und ihr fragt nach Wahlen in vier Jahren.“

Hillary wäre dann 69 Jahre alt. Sie wirkt jetzt erholt und energisch. Insider deuten aber gelegentlich an, dass ihre körperlichen Kräfte Grenzen haben. Zudem gilt die Erfahrungsregel, dass die Favoriten, die drei, vier Jahre vor einer Präsidentenwahl in den USA genannt werden, kaum noch eine Rolle spielen, wenn die Bürger ihre Stimme abgeben. Manche Attribute der neuen Hillary Clinton haben zudem einen anderen Hintergrund, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Die neue Brille ist eine Folge des Sturzes. Clinton sieht mitunter doppelt, die Gläser sollen das korrigieren.

Das Interview gab nichts her, was auf eine Kandidatur 2016 hindeutet. Es hält die Frage offen und die Neugier wach – und das ist eine Kunst, die auch schon Bill Clinton meisterlich beherrschte. Eine offene Unterstützung Hillarys für 2016 könnte Obama sich kaum leisten. Es wäre ein Affront gegen Vizepräsident Joe Biden, dem ebenfalls Ambitionen auf das Weiße Haus nachgesagt werden. Freilich liegt der Wahltag kurz vor seinem 74. Geburtstag. Noch nie hatten die USA einen so alten Präsidenten beim Amtsantritt.

Am Ende gab das Gespräch vor allem etwas Einblick darin, wie Obama und Clinton vom erbitterten Kampf um die Präsidentschaftskandidatur 2008 zu vertrauensvoller Zusammenarbeit fanden. Trotz der gegenseitigen Angriffe habe die gemeinsame Erfahrung sie einander nähergebracht. Für ihre Ehepartner und engsten Mitarbeiter sei es viel schwerer gewesen, die Animositäten zu überwinden. Sein Angebot, Außenministerin zu werden, habe sie überrascht, und sie habe Zeit gebraucht, um darauf einzugehen, erzählte sie. Im Rückblick hätte sie wohl ebenso versucht, ihn für ihr Kabinett zu gewinnen, wenn sie Präsidentin geworden wäre. Clinton beschrieb ihre Beziehung zu Obama als „warm“ und „eng“; sie verständen einander ohne Worte. Sie nannte ihn „mein Präsident“. Obama lobte sie als „eine der besten Außenministerinnen, die wir je hatten“. Sie habe den „Standard für Professionalität“ in seiner Regierung gesetzt. Er habe „eine starke Freundschaft“ zu ihr entwickelt. Amerika wartet weiter auf das nächste Kapitel.

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