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Panorama: Mit voller Härte

Lebenslange Haftstrafen im neu aufgerollten Prozess um den Foltertod der kleinen Karolina

München - Härter hätte das Urteil kaum ausfallen können: Karolinas Mutter und ihr Ex-Freund sollen wegen Mordes lebenslang hinter Gitter. Beide nahmen die Entscheidung des Landgerichts München II am Mittwoch mit gesenktem Kopf und ohne sichtbare Regung auf, die Prozessbesucher hingegen applaudierten spontan. Vor allem die Frau trifft die volle Härte des Gesetzes. Für sie hatte der Staatsanwalt eigentlich acht Jahre beantragt – nun könnte sie bei guter Führung frühestens nach 15 Jahren freikommen. Sie hatte tatenlos zugesehen, als der drogensüchtige und sadistisch veranlagte Mann ihre Tochter tagelang prügelte, auspeitschte, mit erhitztem Plastik versengte und am Ende mit Schlägen auf den Kopf tödlich verletzte.

„Es war völlig klar, dass bei dieser Grausamkeit und Brutalität das Kind eines Tages tot sein wird – und das hat die Angeklagte auch erkannt“, sagte der Vorsitzende Richter Walter Weitmann in seiner eineinhalbstündigen Urteilsbegründung an die regungslos lauschende dunkelhaarige Frau gerichtet. „Es gab genügend Möglichkeiten, mit dem Kind oder ohne das Kind das Haus zu verlassen.“ Sie hätte auch Nachbarn verständigen und Karolinas Leben so retten können. „Durch ein Wort, einen Satz wäre das möglich gewesen.“ Der Frau habe aber nichts an ihrem Kind gelegen.

Weil die 27-Jährige auf der Flucht die Polizei alarmiert und umfassend ausgesagt hatte, wollte Oberstaatsanwalt Johann Kreuzpointner ihr an sich Strafmilderung zubilligen. Doch das Gericht lehnte das ab. Es ging auch weit über das vom Bundesgerichtshof (BGH) aufgehobene Ersturteil des Landgerichts Memmingen hinaus, bei dem der Türke zehn Jahre und drei Monate und die Polin fünfeinhalb Jahre bekommen hatte.

Für den Mann stellte das Gericht zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Er kann damit auch bei guter Führung nicht nach 15 Jahren freikommen. „Sein Ziel war, das Kind so zu drangsalieren und zu dressieren wie einen Hund, dass es in der Beziehung keine Rolle mehr spielt“, warf ihm der Vorsitzende Richter vor. Denn die Dreijährige störte den Mann, der deren Mutter ganz für sich haben wollte. Die ehemalige Prostituierte bot ihm Abwechslung – für sie hatte er nach zwölf Jahren seine Lebensgefährtin und seine elfjährige Tochter verlassen, „weil ihm die Angeklagte besser gefallen hat“, so der Richter.

In dem Haus im Stadtteil Biberachzell im schwäbischen Weißenhorn spielten sich vom Neujahrstag 2004 an grausame Szenen ab. Unter dem Vorwand, sie zu „erziehen“, schlug er die Kleine und peitschte sie mit einem Gürtel. Er legte das Mädchen auf einen Kleiderschrank, ließ es über Nacht im kalten Keller, und als es mit seinen Methadonflaschen spielte, versengte er sie mit den erhitzten Plastikverschlüssen. Ein Gutachter stellte hinterher fest, dass von Wunden übersäte Kind habe weniger unverletzte Körperteile gehabt als verletzte.

Mehrfach schlug der 32-Jährige Karolina mit dem Kopf an die Wand, warf sie gegen eine Kommode, befahl ihr, wieder aufzustehen – um sie mit Wucht gleich wieder niederzuschlagen. Am vierten Tag der Misshandlungen schlug der Mann mit solcher Wucht auf den Kopf des Kindes ein, dass es bewusstlos wurde. Das Paar legte das sterbende Kind nackt und kahl geschoren in der Damentoilette des Weißenhorner Krankenhauses ab und flüchtete.

Der Mann hatte sich in dem Prozess in Schweigen gehüllt, sie hatte die Fragen des Gerichts beantwortet – teils gereizt, teils gefasst, teils unter Tränen. Nachdem sich die beiden im ersten Prozess über die Anklagebänke hinweg lautstark beschuldigt hatten, versuchten sie nun, sich zu ignorieren. Nicht ausgeschlossen, dass sich die beiden noch einmal vor Gericht treffen. Denn die Anwälte haben Revision angekündigt. „Natürlich sind wir schockiert“, sagte der Verteidiger der Frau, Ralf Schönauer. „Schauen wir mal, was der BGH in anderer Besetzung dazu sagen wird.“

Sabine Dobel (dpa)

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