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Kuh

© dpa

MKS-Virus: Seuchenangst in Pirbright

Im englischen Ausflugsort Pirbright ist es mit der Idylle vorbei. Auf einem Hof nahe des Ortes ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen - und dunkle Erinnerungen an den Seuchenzug vor sechs Jahren werden wach, als allein in Großbritannien sechs Millionen Kühe, Schweine und Schafe wegen der Krankheit getötet wurden.

Einen Hort des Schreckens stellt man sich anders vor. Nicht wie Pirbright, einen netten Ausflugsort unweit von London. Seit 1780 wird hier Kricket gespielt. Der "Royal Oak"-Pub zählt zu den schönsten Gasthöfen Englands. Und der Kirchhof zieht Afrika-Interessierte an, weil hier Henry Morton Stanley ruht, der nach den Quellen des Nil suchte. Doch mit der Idylle ist es nun vorbei: Auf einem Hof nahe des Ortes ist die Maul- und Klauenseuche (MKS) ausgebrochen.

Der Erreger sprang mit großer Wahrscheinlichkeit aus einer benachbarten Forschungseinrichtung auf die Kühe des betroffenen Hofes über. Das abgeschwächte MKS-Virus ist nicht der einzige Erreger, der in den Labors von Pirbright kultiviert wird. Auch mit der Blauzungenkrankheit beschäftigen sich dort Forscher, mit der Afrikanischen Pferdepest, der Vesikulären Schweinekrankheit, die auch Menschen befallen kann, und etlichen anderen Tierseuchen, die Viehzüchter schon bei dem Gedanken daran erschauern lassen.

Suche nach dem "Leck"

Der Wind habe das Virus vom Typ 01 BFS67 vom Institut zu den Weiden geweht, sagen Einwohner Pirbrights, dessen Name aus dem Angelsächsischen stammt und "wo die Birnbäume wachsen" bedeutet. So sei die Maul- und Klauenseuche zu den Rindern gelangt, habe Blasen in den Mäulern und zwischen den Klauen hervorgerufen sowie schäumenden Speichel. Das Virus habe die Organe der Tiere vergiftet - und dafür gesorgt, dass nun wieder überall in der Welt die Seuchenwarnglocken klingelten, dass britische Landwirte bis auf weiteres keine Rinder, Schweine oder Schafe oder Produkte daraus exportieren dürfen.

Doch wie konnte das Virus überhaupt erst nach draußen gelangen? Das fragt sich auch das Krisenkomitee COBRA der britischen Regierung - und erwartet schlüssige Antworten von Professor Brian Spratt. Der Experte für molekulare Epidemiologie des renommierten Imperial College in London soll so rasch wie möglich klären, ob und wieso es in den Labors des amerikanischen Tierpharma-Unternehmens Merial Animal Health ein "Leck" gab, durch das der MKS-Erreger entweichen konnte.

Britische Medien machen Druck

Die Firma ist schon seit vielen Jahren auf dem Forschungsgelände von Pirbright beheimatet. 5000 Menschen beschäftigt Merial weltweit und hat für 2006 Verkäufe von Tierimpfstoffen und anderen Produkten im Wert von 2,2 Milliarden Dollar (1,6 Milliarden Euro) gemeldet. Schon lange wird von dem Unternehmen der Erreger 01 BFS67 dazu verwendet, Impfstoff gegen die Maul- und Klauenseuche herzustellen.

Eines ist sicher: Erst wenn bis ins Detail geklärt ist, wo und wie der Virus entwichen ist, kann von Entwarnung die Rede sein. "Im Forschungskomplex von Pirbright", schrieb die Zeitung "Mail on Sunday", "lagern tödliche Erreger und es wird erwartet, dass sie unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen verwahrt werden." Natürlich wird nun auch die Frage diskutiert, wie sicher solche Virenbestände vor dem Zugriff von Terroristen sind. Experten des Geheimdienstes MI5 winkten in diesem Fall allerdings rasch ab.

Zur Beruhigung trägt vor allem bei, dass die Seuche diesmal sehr rasch mit umfangreichen Schutzmaßen bekämpft wurde, die der Krisenstab unter Leitung des neuen Premierministers Gordon Brown anordnete. Dennoch schwebt nun wieder das Gespenst des verheerenden Ausbruchs von 2001 über Großbritannien. Die alten Bilder von brennenden Bergen aus Rinderkadavern sind in den Medien wieder allgegenwärtig.

Thomas Burmeister[dpa]

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