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Mobbing: Pöbeln, schikanieren, ignorieren

Es sind scheinbar nur Kleinigkeiten, aber vielen Schülern machen sie das Leben zur Hölle. Mobbing scheint zu einer Art Volkssport zu werden. An Deutschlands Schulen gibt es 500.000 Fälle - pro Woche.

Berlin - Das Raunen, wenn sich der Betroffene im Unterricht meldet, die Beleidigungen, die bösen Bemerkungen und Blicke der Anderen: Jeder siebente Schüler an Deutschlands weiterführenden Schulen wird gemobbt und ist damit Opfer regelmäßiger Schikanen und Pöbeleien durch Mitschüler. Dies ergab eine bundesweite Befragung von Mechthild Schäfer, Wissenschaftlerin vom Institut für pädagogische Psychologie der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität.

Hochgerechnet kämen damit in Deutschland 500.000 Fälle pro Woche zusammen, sagte Schäfer. Ihren Forschungen zufolge gebe es an jeder Schule und in fast jeder Klasse Täter, betonte sie bei der Vorstellung der bundesweiten Aktion "Mobbing - Schluss damit!" in Berlin.

Lehrer erkennen das Problem oft nicht

Schäfer zufolge liegt Mobbing vor, wenn ein Schüler über einen längeren Zeitraum immer wieder von Mitschülern beleidigt, gedemütigt, bedroht oder ausgeschlossen wird, ohne aber physische Gewalt zu erfahren. Häufig würden weder das Problem noch die Täter von Lehrern erkannt. Opfer fühlten sich oftmals alleingelassen und unverstanden.

Die Referentin für Gewaltprävention der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Bettina Schubert, sprach daher von der "kleinen Gewalt, bei der kein Blut fließt". Mobbing unter Schülern sieht Schubert als handfestes Problem an, das von der Verbreitung her einer "Art Volkssport" gleichkomme. Ob auf der Toilette, in der Umkleidekabine oder auf dem Weg zur Sporthalle - Täter nutzten viele Gelegenheiten, um ihren Opfern das Leben schwer zu machen.

"Jeder kann zum Opfer werden"

Dabei gibt es keine eindeutigen Opfermerkmale, wie Schäfer betonte: "Jeder kann zum Opfer werden." Auch sie selbst habe diese belastende Erfahrung bereits gemacht. Kinder würden etwa schikaniert, weil sie neu in die Klasse kamen oder weil ihre schulischen Leistungen besonders gut oder besonders schlecht sind. Die Opfer trügen oftmals langfristige Schäden davon. Zum Täter werden Kinder, weil sie vor den anderen "cool" wirken und sich hervortun wollen, wie Schäfer herausfand.

Eine Erkenntnis, die auch betroffene Schüler bestätigen. "Die wollen lustig sein, damit sie beliebt sind - auf Kosten des Opfers", sagte der 15-jährige Christian von der Berliner Ernst Schering Oberschule. Die Angst vor der nächsten gemeinen Attacke kennt auch seine Mitschülerin, die ebenfalls 15-jährige Ulrike. Eine Klassenkameradin hatte es auf sie abgesehen, ohne dass sie den Grund dafür kannte, wie Ulrike sagte: "Sie hat mir ständig Sachen weggenommen und auch andere Mädchen dazu gebracht, mich auszugrenzen." Erlöst sei sie erst gewesen, als die Täterin von der Schule verwiesen wurde, sagte Ulrike, die erst nach langem Ringen den Mut fand, sich einem Lehrer anzuvertrauen.

Heute wendet die Zehntklässlerin ihre negativen Erfahrungen als Mobbing-Opfer ins Positive und macht sie sich in ihrer Funktion als Konfliktlotsin an ihrer Schule zu Nutze. "Ich denke, auf Grund meiner Erfahrungen sehe ich eher, was los ist." Wenn sie erkenne, dass Mitschüler gemobbt werden, gehe sie auf die Betroffenen zu und versuche, zu vermitteln.

Ohne "Publikum" gibt es kein Mobbing

Die Motivation der Täter fasste der Neuntklässler Adnan sehr prägnant zusammen: "Es geht um Konkurrenz und um Neid." Indem sie einen Mitschüler immer wieder nieder machten, wollten die Täter Überlegenheit und Stärke demonstrieren. Auch Schäfer betonte die "wichtige Rolle" des Publikums: "Ohne Dritte, die zuschauen, gäbe es kein Mobbing."

Für die Aktion "Mobbing - Schluss damit!" haben sich nun verschiedene Partner, darunter das Deutsche Kinderhilfswerk, zusammen geschlossen, um verstärkt auf das Problem hinzuweisen. So werden Schüler, Eltern und Lehrer über das Internet zu ihren Mobbing-Erfahrungen befragt. (Von Alexandra Burck, ddp)

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