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Berliner Modemacher: Antje Pugnat kreiert romantische Rüstungen

Vor sieben Jahren hat die Modedesignerin Antje Pugnat ihr Label in Berlin gegründet. In erster Linie kreiert sie in ihrem Atelier in Mitte Strickkollektionen. Geprägt von den wuchtigen Formen der Renaissance.

Die Modedesignerin Antje Pugnat steht an diesem verregneten Nachmittag in ihrem Atelier in Mitte und streicht über ein riesiges Stück Millimeterpapier. In einer von ihr überlegten Anordnung stehen darauf zwei Buchstaben: l für linke Maschen, und r für rechte, ein Zeichensystem, das nur die Designerin und ihre Strickerin verstehen und sonst niemand. Es ist der Plan für den Flügelärmel eines kurzen Overalls, gestrickt mit einer 10er Nadel und dreifachem Garn.

Für die Strickarbeit hat sich die 37-Jährige während ihres Studiums in Hamburg entschieden. Als sie dort bis 2002 Bekleidungstechnik erlernte, fand einer ihrer Grundkurse an der Strickmaschine statt. „Da hat es plötzlich Klick gemacht, und mir war klar, das ich endlich etwas gefunden hatte, das ich konnte und womit ich mich ausdrücken konnte“, erzählt Antje Pugnat. Allerdings wollte sie Kleidungsstücke entwerfen, die nichts mit der alltäglichen Strickerei zu tun haben. Jede Naht, jedes Detail sollte besonders sein. Um das zu können, ist sie als Quereinsteigerin nach London gegangen und hat dort bis 2005 am Royal College of Art Strickdesign studiert. An dieser Universität wurde unter anderem auch Alexander McQueen ausgebildet.

Von der Maschine zur Stricknadel

Bevor Antje Pugnat vor sieben Jahren ihr Label in Berlin gründete, wechselte sie für ihre groben Wollstücke von der Maschine zur Stricknadel. Damit konnte sie auch im Bus und in der U-Bahn arbeiten oder wenn sie an der Wiege ihres Babys saß. „Es fasziniert mich immer wieder, dass ich direkt eine Form und Skulptur erschaffen kann. Bei Stoffen würde ich zunächst nur auf zweidimensionaler Ebene arbeiten“, sagt Antje Pugnat. Ob ihr Ingenieurstudium dabei hilfreich sei? Und wie. „Man muss als Designerin nicht nur kreativ sein. Man braucht auch ein Konzept und technisches Verständnis“, erklärt sie.

Ihre erste Jacke verkaufte sie 2009 an Wolfgang Joop, der im Lil Shop in der Brunnenstraße auf das Stück aufmerksam wurde. Daraufhin arbeitete sie für die Winterkollektion 2011/12 mit seinem Label Wunderkind zusammen. Während Antje Pugnat davon erzählt, zeigt sie ihre aktuellen Modelle: An der Stange hängen grob gestrickte Jacken in Schwarz und Braun, mal mit leicht gepufften Schultern, mal mit Tulpenärmeln und Fischgrätennähten, gestrickt aus Kaschmirwolle, zu 100 Prozent.

Inspirationsquelle ist die Renaissance

Daneben greift die Designerin nach einer hellblauen Seidenbluse mit drapierter Vorderseite und weit geschnittenen Ärmeln zu einem goldenen, plissierten Faltenrock, der wegen seiner Zusammensetzung aus Mohair, Viskose und Polyamid leicht schimmert. Dieses Modell trägt Antje Pugnat selbst in einem sehr dunklen Farbton, kombiniert mit einer cremefarbenen Bluse, die dem Outfit wegen ihrer voluminösen und flatternden Ärmel eine romantische Note gibt. Kontraste sind ihr wichtig. Strick und Strick, das wäre ihr zu weich. Bei ihrer ersten Kollektion im Jahr 2011 waren die Kreationen noch weitaus verspielter und opulenter. „Ich musste mich einmal richtig austoben“, sagt sie. „Heute sind meine Stücke reduzierter und strenger.“

Die Inspirationsquelle für ihre Entwürfe ist die Renaissance. Aus diesem Grund geht Antje Pugnat regelmäßig in die Gemäldegalerie und die Kostümbibliothek, um sich die wuchtigen Formen von damals anzuschauen. Auch mittelalterliche Rüstungen helfen ihr, neue Ideen zu entwickeln. Um all das für die heutige Welt tragbar zu machen und keine Kostüme zu entwerfen, hängen links von ihrem Fenster Fotos mit Frauen aus dem 15. und 16. Jahrhundert und Werke von Designern des frühen 20. Jahrhunderts. Aktuell von der italienisch-französischen Modeschöpferin Elsa Schiaparelli.

Luxus, der seinen Preis hat

Im Moment arbeitet die 37-jährige Modedesignerin an der Winterkollektion 2014/15, die sie Anfang März auf der Pariser Modewoche vorstellen möchte. In Berlin hatte sie ihren Showroom zum ersten Mal nicht während der Fashion Week im Januar geöffnet. „Bisher kamen immer nur vier, fünf Leute zu mir. Nachdem ich letzten Sommer in Paris ein so viel besseres Feedback bekommen habe, konzentriere ich mich lieber darauf“, sagt sie.

Den Grund für die unterschiedliche Resonanz sieht Antje Pugnat in ihrem extrem eleganten und femininen Stil. „Die Besucher in Paris sind mutiger bei unbekannten Designern. Ich entwerfe Luxus, der auch seinen Preis hat.“ Eine ihrer Wollmützen, die an die Frisur der englischen Königin Elisabeth I. erinnert, kostet in einem Geschäft rund 300 Euro, eine Jacke 2000 Euro. Um ihre Kleidungsstücke etwas günstiger anbieten zu können, überlegt sie, in Zukunft mit 50 Prozent Kaschmir und 50 Prozent Merino zu arbeiten: „Auf die Dauer geht es so nicht weiter.“

Irgendwann möchte Antje Pugnat von jedem ihrer Entwürfe nicht mehr nur ein einziges, sondern 21 Stück produzieren. Und zwar genau so, wie sie es auf Millimeterpapier vorgegeben hat.

Mehr Infos: www.pugnat.com

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