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Dörte Bundt hat sich in ihrem Studio in Neukölln eine kleine Oase aus Makramee und grünen Zimmerpflanzen geschaffen.

© Jaclyn Locke

Einrichtung: Makramee. Im Ernst?

Geknüpfte Wandteppiche waren lange das Synonym für ein spießiges Zuhause. Inzwischen wird die Knotenkunst wieder heiß geliebt. Gerade in Berlin interpretiert man sie neu und besser.

Ich bin 25 Jahre alt und finde Makramee schön. Die Wandbehänge sind für mich mal etwas Neues und verleihen meinen weißen Wänden orientalischen Charme. Außerdem ist das Knüpfen beruhigend und meditativ. Dass das allerdings nicht alle so sehen, war mir bis vor Kurzem nicht klar.

An der Knüpfkunst scheiden sich die Generationen. Wer in den siebziger Jahren im Handarbeitsunterricht dazu gezwungen wurde, will mit Makramee heute nichts mehr zu tun haben. Trutschig! Spießig! Eine Beschäftigung für unterforderte Hausfrauen und Mütter! Einige haben allein bei dem Wort den Geruch von staubiger Jute in der Nase. Umso erstaunlicher, dass Makramee seit drei Jahren den Status als hippe Wohndekoration erobert hat.

Eine, die den Trend vorantreibt, ist Dörte Bundt. Mit ihrem Label California Dreaming verkauft sie bereits seit 2013 als eine der Ersten Makramee-Objekte. Ihr Studio liegt in einer alten Remise aus rotem Ziegelstein, zwischen Wohnhäusern und einem Fetischclub in Neukölln.

"Makramee ist einfach geil!"

Ganze Wandteppiche zieren die weißen Wände, Kakteen und grüne Zimmerpflanzen stehen auf Fensterbänken und Regalen, hängen in Blumenampeln, eine Hängematte aus Makramee baumelt von der Decke, ein großer Korbsessel passt gut in das Ensemble. Wie das alles so liebevoll arrangiert im Zimmer verteilt ist, wird sofort klar: Mit Ironie hat das nichts zu tun, das ist ehrliche Begeisterung. „In diesem Buch kann ich den ganzen Tag blättern“, sagt Dörte Bundt und legt einen schweren Bildband auf den Tisch. Darin zu sehen sind über 3800 verschiedene Makramee-Knoten. „Und es gibt noch viel mehr. Makramee ist einfach geil!“

Alles fing vor einigen Jahren an, als sie gemeinsam mit ihrem Mann, einem Amerikaner, durch Kalifornien reiste. „Dort hing in vielen Wohnungen Makramee, teilweise noch die originalen Stücke aus den Siebzigern. In Kalifornien wird die Knüpftechnik noch immer geschätzt“, erzählt die 34-Jährige. Zurück in Berlin, wollte sie ihr Zuhause auch mit Makramee schmücken. Sie suchte auf Dawanda, der Online-Plattform für Selbstgebasteltes, für die sie damals arbeitete und fand – nichts.

Dörte Bundt beschränkt sich nicht nur auf Blumenampeln oder Wandbehänge. Sie macht auch Babywiegen, Regale oder Hängestühle in Makramee.
Dörte Bundt macht auch Babywiegen, Regale oder Hängestühle in Makramee.

© Silke Mayer

Also brachte sie sich mit einem alten Anleitungsheft aus den USA die Grundknoten selbst bei und knüpfte ihre erste Blumenampel. Kurz danach gründete sie ihren Dawanda-Shop California Dreaming. Dass sie keine verschrobene Einzelgängerin ist, merkte sie daran, dass Hotels, Restaurants und Innenarchitekten ganze Räume mit ihren Produkten dekorieren wollten. Inzwischen bestellen auch viele private Käufer bei ihr. Seit zweieinhalb Jahren verkauft sie nun hauptberuflich Objekte aus Makramee und gibt Workshops in Zürich und Berlin.

Makramee ist die Gegenthese zum skandinavischen Stil

Makramee ist so etwas wie die Gegenthese zum skandinavischen Stil, der immer wieder in der Einrichtung tonangebend ist. Bereits seit einigen Jahren geht der Trend weg vom schlichten Design hin zum Unperfekten und Gemütlichen: Körbe aus Naturmaterialien, Teppiche mit Fransen, Möbel aus Holz oder Rattan, dazu Räucherstäbchen, viele Pflanzen, am liebsten Kakteen und ein Ficus benjamina, und der Verzicht auf den Fernseher. Da passt Makramee gut hinein.

Monika Kalinowska und ihre Mutter kombinieren in ihren Wandbehängen Makramee mit Webarbeiten.
Monika Kalinowska und ihre Mutter kombinieren in ihren Wandbehängen Makramee mit Webarbeiten.

© promo

In Berlin ist Dörte Bundt mittlerweile nicht mehr die Einzige, die in dieser Knüpftechnik arbeitet. Da ist etwa Monika Kalinowska, die gemeinsam mit ihrer Mutter vor zweieinhalb Jahren das Label Mo & Mum gegründet hat. Während Monika sich auf Makramee und das Weben konzentriert, strickt und stickt ihre Mutter. In ihren Arbeiten kombinieren sie die Handwerkstechniken miteinander und machen daraus außergewöhnliche Wandbehänge, die mit den beige-braunen Lappen von vor mehr als vierzig Jahren gar nichts zu tun haben.

Auch Andrea Cseh hat den skandinavischen Stil satt und wollte mehr Farben in die Einrichtung bringen. Seit 2012 macht sie Makramee in ihrem „Studio Hammel“ in Berlin. Sie lässt sich zwar von Modellen aus den siebziger Jahren inspirieren, interpretiert die Knotenkunst jedoch mit verschiedenen Materialien, Formen und Farben neu. Statt Jute oder Bast verwendet sie knallige Nylonseile und flicht farbige Schlaufen oder mineralische Steine mit ein. „Die Reaktionen auf meine Arbeit sind häufig gleich“, erzählt Andrea Cseh. „Makramee? Das ist ja furchtbar. Das kenne ich noch von meiner Oma, das hing bei ihr im Wohnzimmer.“

Andrea Cseh vom Studio Hammel verwendet knallige Nylonseile.
Andrea Cseh vom Studio Hammel verwendet knallige Nylonseile.

© Christoph Wehrer/ Studio {Hammel}

Die Handarbeitstechnik stammt ursprünglich aus dem Orient

Aber man tut der Knüpftechnik unrecht, wenn man sie nur mit ihrem muffigen Ruf aus den Siebzigern verbindet. Die Handarbeitstechnik stammt ursprünglich aus dem Orient und kam bereits im 13. Jahrhundert nach Europa. Zu einem Trend wurde es in Deutschland gleichzeitig mit Schlaghosen und Blümchentops mehr als 600 Jahre später. Makramee hing damals als Dekoration an den Wänden, lag als Teppich auf dem Boden oder als Decke auf dem Tisch. Vor allem die rustikalen Eulen aus Makramee fanden in vielen deutschen Wohnzimmern ihren Platz. In den achtziger Jahren änderte sich der Geschmack, Eulen und Wandbehänge verschwanden in der Mottenkiste.

Viele, die sich heute für Makramee interessieren, sind so jung, dass sie die alten Schätzchen nur aus Erzählungen oder von Familienfotos kennen. Einige verbinden damit nostalgische Gefühle, erinnern sich an die Zeiten, als sie noch klein waren. Für andere ist Makramee einfach aufregend anders.

Makramee mal anders.
Makramee mal anders.

© Christoph Wehrer/ Studio {Hammel}

Objekte in der Knüpftechnik werden von ihnen nicht nur gekauft, sondern auch gerne selbst gemacht. Daher bieten Dörte Bundt und auch Monika Kalinowska Makramee-Workshops an. Vor allem immer mehr Jüngere, meistens zwischen 25 und 35 Jahren, interessieren sich für das Stricken, Weben, Makramee und andere Handarbeiten aus Omas Zeiten. Mit den Kursen wird ausgeglichen, was Kindern im Handarbeitsunterricht der Schulen schon lange nicht mehr beigebracht wird. In Zeiten des steigenden Konsums ist es immer häufiger eine wichtige Erfahrung, etwas mit den eigenen Händen herzustellen. Makramee ist heute kein allgegenwärtiges Haushaltsprodukt wie in den Siebzigern, sondern ein teures Einzelstück, das aus der Massenproduktion heraussticht.

California Dreaming gibt es unter anderem im Halleschen Haus, Tempelhofer Ufer 1, sowie online unter www.californiadreamingdesigns.com. Mehr zu Studio Hammel unter www.studiohammel.tictail.com. Workshops für Makramee gibt es bei California Dreaming und Mo & Mum unter www.moandmum.com.

Alexandra Kutek

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