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Aus alten Schwimmwesten vom Dachboden seines Großvaters macht Danny Reinke Jacken für Landratten.

© promo

European Fashion Award: Eine Kollektion aus Seilen und Reusen

Danny Reinke hat in Berlin den European Fashion Award gewonnen. Die Kollektion des Nachwuchsdesigners dreht sich um die Küstenfischerei an der Ostsee. Eine Welt, in der er zu Hause ist.

Mit sechs Jahren fing Danny Reinke an, seinem Vater bei der Fischerei zu helfen. Er fuhr mittags hinunter zum Hafen, hängte einen Eimer mit frisch gefangenen Fischen an seinen Fahrradlenker und brachte sie den Bewohnern von Mönkebude am Stettiner Haff, ein Küstendorf in Mecklenburg-Vorpommern, in dem 764 Menschen leben und das etwas kleiner als Berlin-Mitte ist. Designergeschäfte lagen dabei nicht auf seinem Weg. Deswegen kann es der 21-Jährige noch immer kaum glauben, dass er ausgerechnet mit Mode, mit Extravaganz und Glamour, Preise gewinnt.

Sein Interesse für Mode entdeckte Danny Reinke vor sieben Jahren. Damals war er 14 Jahre alt und nahm an einem Workshop teil, bei dem es darum ging, Menschen zu zeichnen, zu formen und zu bekleiden. „Bis dahin hatte ich mit Kunst nicht viel zu tun. In unserem Dorf sind die Menschen bodenständig und handwerklich veranlagt“, sagt er. Als er sich immer öfter Modeschauen im Internet anschaute und ihm seine Schwester zwei Jahre später von der Akademie Fahmoda in Hannover erzählte, zögerte er nicht lange. Statt sein Abitur zu machen, bewarb er sich nach der zehnten Klasse an der Schule für Mode und Design. Zehn Minuten nach dem Vorstellungsgespräch bekam er die Zusage.

Neue Kleider aus gebrauchten

Für seine Abschlusskollektion „Mön 10“ hat der Nachwuchsdesigner von der Stiftung der Deutschen Bekleidungsindustrie nun den European Fashion Award „Fash 2014“ bekommen. Benannt hat er seine finale Arbeit nach dem Boot seines Vaters und thematisiert damit die Fischereikultur an der Ostseeküste, ein prägender Teil seiner Kindheit, seiner Familiengeschichte und Heimat. „Anfangs war ich unsicher, ob die Kollektion meinen Dozenten gefällt. Für mich ist die Fischerei greifbar. Aber ich bin damit auch groß geworden.“ sagt Danny Reinke.

Für seine Abschlusskollektion „Mön 10“ hat der Nachwuchsdesigner von der Stiftung der Deutschen Bekleidungsindustrie nun den European Fashion Award „Fash 2014“ bekommen.
Für seine Abschlusskollektion „Mön 10“ hat der Nachwuchsdesigner von der Stiftung der Deutschen Bekleidungsindustrie nun den European Fashion Award „Fash 2014“ bekommen.

© Anny CK

Mit Netzen und Seilen, geknoteten Kleidern und dreidimensionalen Reusen präsentiert er Arbeitsmaterialien eines traditionellen Küstenfischers. Weil der keine Schleppnetze wie in der Industriefischerei benutzen würde, möchte er gleichzeitig ein Zeichen für Nachhaltigkeit setzen – sowohl bei dem Knochenjob auf See, als auch in der Mode. „Das hat für mich keinen politischen Grund, aber wir sollten schon auf unsere Welt achten“, erklärt er. Deswegen macht er neue Kleider aus gebrauchten.

Korsagen aus recycelten Schlangenhäuten

Stephan Meyer, Creative Director bei „Harper’s Bazaar“, begründet die Entscheidung der Jury so: „Besonders ragt die handwerkliche Qualität bei zwei Teilen heraus – einem Pullover, den ein Fischer aus Seilen in tagelanger Arbeit mit großer Perfektion knüpfte, und einem Mantel aus alten Schwimmwesten vom Dachboden des Großvaters.“ Zwei Tage lang hat er mit seinen Kolleginnen und Kollegen neun Preisträger aus 104 Teilnehmern ausgewählt. Die Entscheidung war laut Joachim Schirrmacher, der den European Fashion Award organisiert, einfach.

Die inhaltliche Vorgabe des diesjährigen Wettbewerbs lautete „Rhythmus“. Warum das Fischereithema von Danny Reinke dazu passt? Weil die Arbeit seines Vaters von dem Wechsel zwischen Tag, Nacht, Sommer und Winter geprägt sei und weil er gelernt habe, den unbändigen Rhythmus der See zu verstehen.

Für seine Auseinandersetzung mit der Natur wurde Danny Reinke schon einmal ausgezeichnet. Für Korsagen aus recycelten Schlangenhäuten und einen Kopfschmuck aus der Schale eines Straußeneis bekam er 2011 den „Goldenen Charlie“, die Auszeichnung für die schönste Robe auf dem Leipziger Opernball.

Hinter den Kulissen der Fashion Week

Der European Fashion Award hat ihm nun ein Preisgeld von 3000 Euro und einen Praktikumsplatz bei Closed beschert – die zweite Tür in die Modewelt, die sich für ihn öffnet. Bis April arbeitet er nämlich für Dawid Tomaszewski in Berlin, den er auch während der Fashion Week unterstützt hat. „Ich habe hinter den Kulissen geholfen. Dank des Wettbewerbs war ich bei Vladimir Karaleev, Perret Schaad und Franzius eingeladen“, sagt er. Fünf Stunden Schlaf waren das Maximum, doch an Hektik hat sich Danny Reinke mittlerweile gewöhnt.

In Hannover hat er den Strand und die See noch sehr vermisst – und auch jetzt liegt ein Hauch von Wehmut in der Luft, wenn er von Mönkebude am Stettiner Haff erzählt, dem Ort, wo er einen Ruhepol gewiss hat, wo die Zeit stehen zu bleiben scheint und wo sein Vater wohl der letzte Fischer seiner Familie sein wird.

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