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Fashion Week in Berlin: Hier passiert’s

Was die Stimmung und Ästhetik Berlins ausmacht, zeigt sich nicht immer am besten auf der Fashion Week, sondern an anderen Schauplätzen.

HERRENSAUNA

Wer den Organisatoren und Besuchern der Berliner Techno-Partyreihe Herrensauna tagesüber im Supermarkt begegnet, könnte sich im ersten Moment erschrecken: Springerstiefel, Netzstoffe, Gesichts-Tattoos, Army-Hosen. Das sieht martialisch aus.

Grund zum Fürchten gibt es aber nicht. Denn der Schock-Effekt ist einkalkuliert und Teil der Inszenierung. Zwar hat Berlins Nachtleben viele exzentrische Figuren zu bieten. Die Herrensauna, ihre Macher und diejenigen, die dort feiern, sind in modischer Hinsicht aber besonders interessant. Denn die Veranstaltung, die monatlich im Tresor stattfindet, ist eine Art Versuchslabor für das, was vermutlich bald auf den Laufstegen von Avantgarde-Labels wie Vetements zu sehen ist. In deren Umfeld hat sich die sogenannte „Ästhetik des Hässlichen“ gebildet, die aktuell die Mode in Aufruhr versetzt.

Gemeint ist ein Mischmasch aus Fetischanspielungen, Secondhand-Funden und Neunziger-Jahre-Trash, hart mit einer Prise Ironie. Durch Fotos in den sozialen Netzwerken, allen voran natürlich Instagram, verbreitete sich der Stil über den Club hinaus und fand seinen Weg auf die Laufstege der Modestädte. Bei genauem Hinschauen sind die Verbindungspunkte deutlich zu erkennen: Mika, Gründungsmitglied und Türsteherin der Herrensauna, läuft auch als Model über den Laufsteg von Vetements. Das Problem bislang: Der Stil des Berliner Nachtlebens wird derzeit zwar weltweit gefeiert, dass er sich hier in der Stadt gebildet hat, wissen aber nur wenige. Das scheint sich langsam zu ändern. Das Designkollektiv GmbH, das ebenfalls von dieser Ästhetik inspiriert ist und für das Herrensauna-DJ Cem modelt, ebenso wie das Berliner Label Ottolinger ernten international Aufmerksamkeit. Denn der spezielle Geist der Stadt ist darin so deutlich zu spüren wie ein tiefer Basston.

032c

Auch im Magazin 032c spiegelt sich der spezielle Berliner Geist. Es hat eine besondere Erfolgsgeschichte: Am Anfang war es ein Printmagazin für eine kleine, unkonventionelle Zielgruppe von Mode-, und Kulturinsidern. Dabei blieb es allerdings nicht. 032c hat sich zu einer Marke entwickelt, die man in Form von Kleidung sogar auf dem eigenen Körper tragen möchte.

Alles begann damit, dass das Magazin in seinem Redaktionssitz im brutalistischen Kirchenbau St. Agnes in Kreuzberg Partys und Ausstellungen veranstaltete, zu denen schon bald eine Gruppe Eingeweihter pilgerte. Dann begann es, sein Logo – die rote Zahlenfolge, die einen bestimmten Pantone-Farbton bezeichnet – auf Kleidung und Accessoires zu drucken. In der Community wurde sie zum Erkennungszeichen, mit dem sich signalisieren ließ: Ich gehöre auch dazu.

Dieses Versprechen klang so verführerisch, dass 032c nicht lange ein Geheimtipp blieb. Vor kurzem wurde die nächste Stufe erklommen: Bei der Pitti Uomo, der weltweit wichtigsten Männermodemesse in Florenz, zeigte 032c erstmals eine komplette Kollektion funktionaler Streetwear. Als Models fungierten die Mitarbeiter des Magazins und Freunde des Hauses – natürlich, denn der Community-Gedanke spielt noch immer die größte Rolle.

REFERENCE STUDIOS

An wen wenden sich Labels wie Ottolinger, wenn es darum geht, an die Öffentlichkeit zu treten? An Mumi Haiati. Der Düsseldorfer mit persischen Wurzeln ist der Vorreiter unter Berlins PR-Agenten. Wenn in der Stadt etwas passiert, das sich die Mode-Avantgarde fett im Kalender anstreicht, hat er höchstwahrscheinlich seine Finger im Spiel.

2014 gründete er in Berlin das Bureau Haiati und versammelte einen recht eigenwillig anmutenden internationalen Kundenkreis aus den Bereichen Mode, Kunst und Lifestyle um sich. Dazu gehören Ottolinger, das französische Label Faith Connexion oder auch die schwule Dating-App Grindr. Die ließ Haiati für die Veröffentlichung ihres ersten Fotobuchs eine Party organisieren, bei der es als Geschenk zum Mitnehmen Kondome und Gleitgel gab.

Von Anfang an bot Haiati mehr als nur klassische PR-Arbeit. Seine Begabung liegt darin, für kantige Marken ein ebenso kantiges Präsentations-Umfeld zu schaffen. Und er versteht es dabei, das zu nutzen, was man als „Berliner Vibe“ bezeichnen könnte – im Gegensatz zu vielen anderen Events, die glauben, dem Glamour anderer Modestädte nacheifern zu müssen. Im vergangenen Sommer benannte Haiati seine Agentur in Reference Studios um. Selbstverständlich war die Party, die anlässlich dessen stattfand, das Highlight der Fashion Week. Gegen den Andrang wirkte sogar die Berghain-Schlange mickrig.

THE STORE

Als Ende des vergangenen Jahres in Paris der Concept Store Colette schloss, trauerte die Modewelt wie um einen Todesfall. Denn es ging nicht nur um einen Laden, auch nicht nur um eine Plattform für alles Neue, sondern um ein Gemeinschaftsgefühl. Auf dem besten Weg, eine ähnliche Rolle einzunehmen, ist The Store, der 2015 im Erdgeschoss des Soho Houses in der Torstraße eröffnete.

Der Name klingt prägnant und nach Platzhirsch. Tatsächlich hat sich The Store in kurzer Zeit zu einem wichtigen Schauplatz der Berliner Modewelt entwickelt. In erster Linie ist er ein Laden für Mode, Accessoires und Interiordesign von Labels, die sich ansonsten gerne rar machen. Zugleich ist er aber auch eine Eventlocation, in der sich Berlins Mode-Insider versammeln, wenn es etwas Neues zu entdecken gibt.

Nicht selten wird diese Art von Veranstaltungen von Mumi Haiati organisiert. Er brachte Ottolinger, das Berliner Label mit österreichischen Wurzeln, dazu, hier seine Kollektion vorzustellen. Und auch, als die Band Tokio Hotel ihre Modekollektion Magdeburg-Los Angeles nach Berlin bringen wollte, fand die Präsentation in The Store statt.

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