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Männermode auf der Copenhagen Fashion Week: Der befreite Mann

In Skandinavien geht man seit jeher ziemlich spielerisch mit den Geschlechterrollen um. Die aktuelle Herrenmode ist ein gutes Beispiel.

Traditionelle Männermode steht nicht unbedingt ganz oben auf der Agenda dänischer Designer. Gilt bei den Menswear-Wochen in Paris oder Mailand immer noch die Suche nach dem perfekten Anzug als Königsdisziplin, geht man in Skandinavien sehr viel spielerischer an die Frage heran, was der moderne Mann im Winter tragen solle. Davon konnte man sich in der vergangenen Woche auf der Copenhagen Fashion Week überzeugen. Dort gab es viele verschiedene Antworten – aber nur wenige klassische Zwei- und Dreiteiler zu sehen.

Die Nähe der Geschlechter zeigt sich schon daran, dass es genau wie in Berlin keine separaten Veranstaltungen gibt wie in den traditionellen Modemetropolen, in denen Männer und Frauen fein säuberlich zeitlich getrennt sind. Für eine eher kleine Fashion Week mit knapp 40 Schauen ist das natürlich eine Frage der Ökonomie, aber auffallend ist, wie viele Designer ganz selbstverständlich für beide Geschlechter entwerfen. Das ist dann schon ein Unterschied zu Berlin, wo die reinen Damenlabels deutlich in der Überzahl sind. Und anders als hierzulande, wo beispielsweise jemand wie Michael Michalsky, der auch Damen- und Herrenmode macht, ganz unterschiedlich an die jeweiligen geschlechtsspezifischen Herausforderungen herangeht, so dass die Frauen- und Männerkollektionen einen sehr eigenen Charakter bekommen, entwerfen die Skandinavier für beide Geschlechter meist mit einer einheitlichen Vision.

Das kann so weit gehen wie bei Barbara í Gongini, der Avantgardistin von den Faröer-Inseln, die Geschlechtergrenzen fast völlig verschwinden lässt. Oft ist erst auf den dritten Blick zu erkennen, ob gerade ein männliches oder weibliches Model die weiten, komplex drapierten Entwürfe vorführt. Ihr düsterer, von Gothic-Motiven inspirierter androgyner Stil entspringt aber auch einer Subkultur, die mit klassischen Geschlechterrollen ohnehin wenig anfangen kann.

Ähnlich experimentell und mit derselben Vorliebe für Schwarz arbeitete bislang auch David Andersen. Der machte bis vor kurzem nur Männermode, ließ die aber auch schon von weiblichen Models vorführen. Zu seinen Kundinnen zählt bizarrerweise Paris Hilton, von der man eine Vorliebe für skandinavische Avantgarde nicht unbedingt erwarten würde. In dieser Saison ging Andersen nun den naheliegenden Schritt und zeigte erstmals auch Damenmode. Seine Entwürfe fielen nun deutlich klarer und traditioneller aus als gewohnt. Hier tastet sich ein Designer an die internationalen Konventionen heran, ohne seine Handschrift aufzugeben.

Auf Konventionen hat Henrik Vibskov noch nie etwas gegeben. Der Lokalmatador zeigt sich bei seinen Männermodellen seit jeher spielerisch. Die farbenfrohen, mit vielen originellen Details versehenen Kollektionen widersetzten sich konsequent jeder maskulinen Ernsthaftigkeit. Inzwischen weiß Vibskov seine künstlerischen Instinkte aber zu zügeln. Noch immer gibt es bunt bedruckte Herrenleggings, nach wie vor sind seine Shows aufwendig inszenierte Performances, aber in den Vordergrund ist zuletzt die Suche nach schneiderischer Perfektion getreten. Seine neue Kollektion, die er vor dem Heimspiel in Kopenhagen bereits in Paris präsentiert hatte, wirkte im Vergleich zu früher zurückhaltender und konzentrierter. Die raumgreifenden, oft geometrisch konstruierten Silhouetten haben aber weiterhin nichts mit der körperbetonten Männermode klassischen Zuschnitts zu tun.

Auf die Pariser Modewoche hat es mittlerweile auch Silas Adler mit seinem Label Soulland geschafft. Ursprünglich machte der Kopenhagener Jungstar Streetwear, mittlerweile hat er sich darauf verlegt, Casual-Klassiker mit hohem handwerklichem Anspruch neu zu interpretieren. In Kopenhagen zeigte er eine Kollektion, die wie ein Inbegriff dessen wirkte, was man gemeinhin mit skandinavischem Design auch jenseits der Mode verbindet: pure Modernität ohne prätentiösen Ballast.

Einen klar definierten dänischen Stil gibt es in der Männermode also nach wie vor nicht. Aber genau das ist typisch für die Skandinavier: Dass man Männer hier eben nicht in vorgegebene Rollenmodelle presst, sondern ihnen die Freiheit zugesteht, zwischen ganz verschiedenen Optionen zu wählen. Bei den Frauen sind die Designer nicht ganz so liberal: In Kopenhagen gab es für sie – von Ausnahmen abgesehen – vor allem klassisch opulente Abendroben, körperbetonte Kleider und traditionelle Luxusattribute wie Pelz zu sehen. So ganz mag man also auch im Norden nicht auf die klassischen Rollenbilder verzichten. Jan Schröder

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