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Junger Mann mit blauem Blazer und apricotfarbener Hose vor blauer Wand.

© promo

Maßkonfektion: Mit dem Körperscanner zum perfekten Anzug

Beim Maßkonfektionär Atelier NA steht der Computer im Mittelpunkt auf dem Weg zum perfekten Zweiteiler.

Diese Kabine ist ein Wunderding. Sie nimmt in wenigen Sekunden mehr als 200 Maße. Zum Glück geht es ganz schnell: Man stellt sich breitbeinig (am besten in Unterwäsche) hinein und in wenigen Sekunden tastet ein Laser den Körper ab. Und schon kann man sein kleines, um die eigene Achse drehendes 3-D-Abbild auf dem Computer anschauen und wünscht sich wahrscheinlich sofort eine gut sitzende Hülle, die all die jetzt zum Vorschein kommenden Makel kaschiert.

Das könnte ein Trick sein, den das Atelier NA bewusst anwendet, damit sich der Kunde ganz in die Hände der Stilberater begibt, um aus dem so ausgeleuchteten einen besser gekleideten Menschen zu machen. Denn das kann ein Anzug. Er kann so sehr zu einer Rüstung werden, dass Männer, die ihn häufig tragen, in fortgeschrittenem Alter in Jeans und Polohemd lächerlich wirken – weil sie mit dem Anzug zusammen ihre Haltung ablegen.

Ein Anzug kann aber auch einfach Spaß machen. Das entdecken gerade vor allem junge Männer, die es gar nicht nötig hätten, einen zu tragen, und es dann umso lustvoller tun. Und sich dabei nicht auf Grau, Schwarz oder Dunkelblau beschränken, sondern sich bis zu Himmelblau und Himbeerfarben vor- oder gleich die ganz großen Karos wagen.

Zum Abiball den ersten Anzug

François Chambaud, einer der Gründer von NA Atelier, ist auf jeden Fall ein Anzugträger, der zur zweiten Sorte gehört. Lässig bewegt er sich in seinem karierten Zweireiher durch seinen neu eröffneten Laden am Kurfürstendamm. Er ist nicht der einzige Maßkonfektionär am unteren Ende der langen Einkaufsstraße, Konkurrenzunternehmen wie Cove & Co, Andrew & Martins und Kuhn sind ganz in der Nähe.

Aber diese Clusterbildung stört Chambaud nicht. Im Gegenteil, schließlich findet er, dass der Unterschied zu den eher klassisch ausgerichteten Maßkonfektionären auf der Hand liegen, weder sei der Computer bei den meisten ein zentrales Werkzeug noch die Palette der Anzüge so breit. Die kommen unverkennbar modisch daher und richten sich an jene Kunden, die Lust auf Anzug haben.

Junger Mann im Magenta-farbenen Anzug.
Es muss nicht immer Dunkelblau sein.

© promo

Diese neu entdeckte Liebe könnte mit der Abwendung einer ganzen Generation vom Anzug, nämlich derjenigen der Babyboomer, zu tun haben. Viele der in den 60er Jahren geborenen Männer tun sich damit schwer, weil sie darin einen Zwang sehen, sich bestimmten Konventionen zu unterwerfen.

So ist der Anzug in vielen Bereichen aus der Pflichtgarderobe verschwunden. Das hat dazu geführt, dass junge Männer, die heute spätestens zum Abiball ihren ersten Anzug tragen, damit nicht wieder aufhören, weil es ihnen Spaß macht. Auch wenn man bei den Modenschauen in Mailand und Paris jetzt viele Doppelreiher, das lange Revers oben breit und nach unten schmal zulaufend, sieht und Hosen mit tiefen Bundfalten, bleiben die scharf geschnittenen Sakkos mit Hosen in italienischer Länge (sprich etwas über dem Knöchel) die verbreitetste Variante. Damit das Ganze nicht zu konservativ ausfällt, sieht man oft einen kleinen Stilbruch, zum Beispiel Schuhe ohne Strümpfe. Klassisches Schuhwerk, wohlgemerkt, und nicht Turnschuhe, die wirken inzwischen eher altbacken und gewollt jung geblieben. Im Gegenteil, mit passender Weste und Einstecktuch wird das Gentlemen-Spiel eher noch auf die Spitze getrieben.

Der Verkaufsraum sieht aus wie ein Labor

Bei Atelier NA kommt man ohne die typische Herrenclub-Atmosphäre aus: Keine Ledersessel und Holzvertäfelung, eher clean und weiß wie ein Labor ist der Verkaufsraum gehalten, was gut zur Messkabine passt. Vor fünf Jahren gründeten François Chambaud und Nicolas Wolfovski ihr Unternehmen in Frankreich, inzwischen gibt dort 14 Läden – Ende 2016 begann die Expansion nach Deutschland mit dem Berliner Geschäft.

Hat man erst mal die Hosen in der Kabine heruntergelassen und seine Daten gespeichert, kann man seine Anzüge auch am Computer selbst zusammenstellen – jeder Stoff in jeder Farbe lässt sich direkt am gewünschten Modell betrachten. Der Preis wird vor allem von der Qualität des Stoffes bestimmt. 290 Euro kostet der günstigste Anzug bei Atelier NA, ist dann aber auf ein paar wenige Stoffe beschränkt. Die wünscht man sich dann vielleicht doch nicht für einen Anzug, der ansonsten den eigenen Wünschen entspricht. Denn gerade bei einem Anzug spielt der Stoff eine große Rolle; nicht nur dass Leinen knittert und Wolle wärmt – wie die Faser verarbeitet wird, ist für die Langlebigkeit und das Tragegefühl entscheidend. Aber wie schon Sir Hardy Amies, Hofschneider Ihrer Majestät Elisabeth II., sagte: „Der Anzug ist das bequemste Kostüm, in dem ein Mann das Leben bestreiten kann, er ist eine zweite Haut, in die er Taschen gesetzt hat.“

Atelier NA, Kurfürstendamm 173, Wilmersdorf, geöffnet Mo–Sa 10–19 Uhr

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