zum Hauptinhalt
Bei Gottex. Die Marke zeigt schon lange auf der Fashion Week in Tel Aviv.

© AFP

Mode in Israel: Schalom Klamotte!

In Israel fand zum fünften Mal die Gindi Fashion Week Tel Aviv statt. Sie soll zum Aushängeschild eines weltoffenen, unbekümmerten – und modebewussten – Israels werden.

Normalerweise würde Bloggerin Laura Noltemeyer für Fotos wie diese ausschließlich Begeisterung ernten – sommerliche Looks präsentiert vor lichtdurchfluteten, malerischen Kulissen. Doch dieses Mal werden Misstöne in der Kommentarspalte laut. Der Grund des Anstoßes: die Ortsangabe Israel über den Fotos. Einige Kommentatoren nehmen daraufhin die Street-Styles der Bloggerin zum Anlass für eine Grundsatzdiskussion über die Existenzberechtigung des Staates Israel. Es sind Situationen wie diese, die zeigen, dass eine Fashion Week in Israel nicht nur einfach eine Modewoche wie jede andere sein kann.

Noltemeyer kam, wie hunderte weitere Blogger und Journalisten aus mehr als 20 Ländern, auf Einladung des israelischen Ministeriums für Tourismus in das Land, um die fünfte Ausgabe der Tel Aviver Fashion Week zu besuchen. Israel hat mehr zu bieten als heilige Stätten und politisches Konfliktpotenzial, lautet die Botschaft, die die ganze Welt erfahren soll. Schon jetzt gilt Tel Aviv, die Metropole direkt am Mittelmeer, als die Party-Hauptstadt des Nahen Ostens. „Tel Aviv ist wie Berlin, nur mit Strand“, hört man von vielen Besuchern.

Die Fashion Week - Ein Tribut an Israel

So wie die Kreativ- und Modeszene Berlin zu internationaler Anziehungskraft verholfen hat, soll sie es nun auch in Tel Aviv tun. Dabei muss nicht von null begonnen werden. In den 70er und 80er Jahren besaß Israel schon einmal eine florierende Modeszene. Modehäuser wie das israelische Bademodenlabel Gottex genossen schon früh weltweite Bekanntheit. Dann aber verlagerten viele Unternehmen ihre Produktion ins Ausland, die israelische Modeszene verfiel in einen Dornröschenschlaf. Auferweckt hat sie Motty Reif, Allround-Talent und wohl wichtigste Figur der israelischen Modeszene. Aus Los Angeles kehrte Reif 2011 in sein Heimatland zurück mit der Mission, die erste israelische Modewoche aufzubauen. „Es sollte mein Tribut an Israel werden – der Welt ein anderes Land zu zeigen, als sie es bisher kennt.“

Was aber hat die Modeszene des Landes zu bieten? Ein sehr durchmischtes Bild. Die israelische Frau, so heißt es unter den anwesenden Einkäufern, liebe die Mode und fürchte sich nicht davor, aufzutrumpfen. „Die jüdische Kultur mit all den Barmizwas und großen Hochzeiten bietet ständig Gelegenheiten, sich zu stylen“, sagt Designer Gideon Oberson, der zu den Urgesteinen der israelischen Modeszene gehört. Wohl auch deshalb besteht ein Großteil der hier gezeigten Looks aus wallenden, langen Kleidern, oft reich bestickt und jederzeit hochzeitstauglich. Man ist stolz auf heimisches Design. Oberson und andere etablierte Größen der Szene werden während der Modewoche wie Popstars gefeiert.

Esel aus dem Heiligen Land. Entwurf von Holyland Civilians.
Esel aus dem Heiligen Land. Entwurf von Holyland Civilians.

© AFP

Dennoch wünscht man sich beim Blick auf viele Kollektionen mehr Wagemut und Experimentierfreude. Frischen Wind bringen vor allem junge Labels wie Holyland Civilians, das entgegen der sonst herrschenden Opulenz reduzierte Streetwear zeigt. Eklektizismus lautet die Devise vieler Designer. Designer Ariel Toledano lässt orientalische Elemente gekonnt auf Rokoko und Barock treffen. Begonnen hat er seine Karriere beim Pariser Traditionshaus Balmain. „Aber wenn man als junger Designer ein eigenes Label gründen will, ist Paris zu teuer und überlaufen. Eine Stadt wie Tel Aviv ist dagegen perfekt für uns“, so Toledano. Bis vor Kurzem studierte er am Tel Aviver Shenkar College, das zu den renommiertesten Modeschulen weltweit gezählt wird. Leah Perez, Leiterin des Design-Departments, sieht den Grund hierfür vor allem in einer Mangelsituation. Eben weil in Israel kaum Produktionsstätten und Stoffhandlungen existieren, müssen junge Designer jeden Print, jedes benötigte Material selbst kreieren, was ihre Designs oft besonders innovativ macht. Der wohl wichtigste Aspekt israelischer Mode aber liege, so Perez, in der besonderen Spannung, in der sich das Land befindet. „Die spezielle Energie, die hier herrscht, kommt daher, dass wir uns immer an einem Abgrund befinden. Die Leute hier leben nur von einem Tag zum nächsten. Wir wissen nicht, was die Zukunft uns bringt. Deshalb wollen wir das Leben im Hier und Jetzt feiern.“

Mit der Politik will man in Tel Aviv nichts zu tun haben

Es lässt sich nicht leugnen, dass diese Fashion Week unter besonderen Umständen stattfindet. Wo sonst würde man den Anblick eines Soldaten mit Maschinengewehr neben dem Catwalk hinnehmen? Auf die Frage, ob auch er Inspiration aus der brisanten politischen Lage des Landes ziehe, antwortet Toledano mit der simplen Feststellung, dass für ihn alles zur Inspiration werden könne. Tel Aviv sei nicht wie das übrige Israel, hört man in Gesprächen mit Besuchern oft abwehrend. Mit der Politik der konservativen Regierung will man in der Boom-Town nichts zu tun haben. Man ist hier stolz auf die eigene Offenheit. Auch darin erinnert die heranwachsende Modestadt Tel Aviv wieder an Berlin. Beide Städte betrachten sich und ihr Lebensgefühl, das sie größtenteils ihrer lebendigen Kreativszene zu verdanken haben, als einzigartig innerhalb des eigenen Landes. Um sein Potenzial zu erhalten und noch mehr auszuschöpfen, brauche es in Tel Aviv aber künftig noch große Anstrengung, sagt Galit Reismann, Gründerin de Agentur TLVstyle, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, ausländischen Gästen auf speziellen Touren die Modeszene der Stadt näherzubringen. „Zur Fashion Week unternimmt die Regierung große Anstrengungen und will, dass ausländische Journalisten die israelische Mode wahrnehmen. Aber im Alltag fehlt es an Förderung“, kritisiert sie. „Wir sind ein kleines Land und sehr isoliert. Doch es gibt keine Steuererleichterungen, keinen freien Raum, der zur Verfügung gestellt wird. Die Regierung tut zu wenig dafür, dass Mode hier überleben kann.“ Der Fokus müsse künftig, so Reismann, weniger auf der Eigenpromotion Israels, sondern auf der Förderung junger Talente liegen, um diese im Land zu halten. Wenn dies gelingt, könnte sich Tel Aviv schon bald tatsächlich auf der Landkarte der Mode etablieren. Die Voraussetzungen sind schon jetzt vorhanden.

Zur Startseite