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Typische Merkmale der Jeans von Versuchskind: Falten und eine asymmetrische Passe.

© promo

Mode: Jeanslabel aus Berlin: Aus dem Bergmassiv gehauen

Das Label Versuchskind macht Jeans für Männer. Mit ihren stark bearbeiteten Hosen haben sie eine Marktlücke gefunden.

Die volle Konzentration geht in die Hose, oder noch genauer in die Jeans. Für Thomas Hintz und Tanja Kim Kupke ist Denim ihre Leinwand; sie bemalen, wachsen, ätzen und falten den Stoff so lange, bis ganz klar ist: Das ist ein Versuchskind – so heißt ihre Marke.
Warum sollen sie sich den Stress einer ganzen Kollektion antun?, fragt die Designerin. Die Hose läuft gut und jede Saison besser. In ihrem Showroom am Südkreuz hängt eine Jeans neben der anderen und jede sieht anders. Bei der ersten Präsentation ihres Labels vor acht Jahren hatten die Absolventen der Modeschule Esmod drei Jeans dabei. Die wurden am besten verkauft und, das spricht für ihren unternehmerischen Mut, sie entschieden sich, nur mit den Jeans weiterzumachen. Nur für Männer wohlgemerkt. Und die stehen ja bekanntlich auf Handwerk. Denim ist einer der wenigen Stoffe, der behandelt fast schöner aussieht als im Urzustand – und vor allem ein Stoff, der so viel mit sich machen lässt.

Die neue Kollektion heißt "Unter Tage"

Also folgte 2011 der Neustart mit Versuchskind. Als Illustration und Leitbild dient ein Bild des Künstlers Matthias Hintz – des Onkels von Thomas. Ein verschwommener Kinderkopf mit Antenne in mehreren Wachsschichten gearbeitet. Das passt gut, denn heiter ist die Arbeit von Versuchskind nicht. Die ersten Hosen wurden in der heimischen Badewanne geätzt und gebleicht – inzwischen ist die Produktion sehr viel professioneller geworden, ausprobieren müssen sie aber immer noch jeden Schritt. Die neue Kollektion für Herbst/Winter heißt „Unter Tage“. Und wirklich sehen die Hosen aus, als wären sie aus einem Bergmassiv herausgehauen oder als hätten sie zumindest schon schwere Abnutzung im Kohlebergwerk hinter sich. Per Hand falten sie die Querfalten, danach wird das Wachs auf den Falten fixiert, schwarzer Denim mit bordeauxrotem Wachs bestrichen, dass es aussieht wie Leder, besprüht oder gewaschen – wie die hell-dunkle Waschung „Moonwashed“ –, das sieht hier gar nicht lustig nach 80er Jahre Kostümierung aus, sondern sehr ernst gemeint. Thomas Hintz und Tanja Kim Kupke haben eine Lücke gefunden, die man erst mal finden muss. Denn Jeans gibt es ja genug auf dieser Welt. Aber nicht solche. Deshalb gehörten sie auch zu den erfolgreichsten Teilnehmern vom Berliner Showroom in Paris während der Männermodenschauen, veranstaltet vom Berliner Senat, um Berliner Designer zu unterstützen. Auch Ende Juni sind sie wieder dabei.

Ihre Hosen kann man weltweit kaufen

Ihre Hosen werden von Südkorea über Florenz bis nach New York verkauft. Es ist halt ein gutes Gefühl, ein Kunstwerk zu tragen, das so untertonig ist, dass es Banausen auch für einfach besonders alte, besonders stark benutzte Hosen halten könnten. Aber nicht nur der Stoff ist behandelt, auch mit der Passform experimentieren die Designer. Verdrehte Nähte und tiefer Schritt sind die Merkmale, die man zuerst bemerkt. Hinten ist die Passe oft asymmetrisch, vorne ist der Hosenübertritt mal mit groben Stichen betont, mal schräg gearbeitet, unten läuft die Hose schmal zu – das nennt man „tapered“. Es gibt fünf Grundschnitte, die die beiden immer wieder neu miteinander kombinieren, produziert wird vor allem in Deutschland. 300 Euro kosten die Hosen. „Lieber teurer, aber geiler“, sagt Thomas Hintz. Mehr soll es nicht werden, deshalb müssen sie auf manche Waschungen verzichten – nach oben hin gibt es auf dem Jeansmarkt keine Grenzen und Kenner gibt es inzwischen genug. Aber Thomas Hintz und Tanja Kim Kupke wollen keine Luxushosen anbieten. Besonders sollen sie schon sein: Die Knöpfe sind aus Silber und die Reißverschlüsse stoppen automatisch – gehen also nicht auf. Und das ist bei Männerhosen wirklich ein sehr nützliches Feature.

Wie die Jeans von Versuchskind funktionieren, kann man sich gleich in mehreren Geschäften in Berlin anschauen. In Mitte bei Oukan Kronenstraße 71, und bei Müller & Reitz in der Fasanenstraße 61 in Charlottenburg. In beiden Läden haben sich die Inhaber richtig was bei ihrer Auswahl gedacht. Bei Müller & Reitz geht es nicht nur bei den Jeans um das Material, sie achten darauf, wo und wie produziert wird und halten engen Kontakt mit den Designern.

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