zum Hauptinhalt

Modegigant: Immer en Vogue

Christiane Arp, Chefredakteurin der deutschen Vogue, lädt zum ersten Mal junge Designer in ihren Salon. So wird sie zur Förderin deutscher Mode.

Die Vogue hat die Macht. Und Christiane Arp, die Chefredakteurin der deutschen Ausgabe, nutzt sie zum ersten Mal in Berlin. Das ist fast so etwas wie eine kleine Revolution. Zum ersten Mal besucht sie nicht nur die Fashion Week, sondern lädt in den Vogue-Salon ein, in dem die Kollektionen von vier jungen Designern präsentiert werden. Damit wird sie zur Förderin junger deutscher Mode. So etwas gab es bei der Vogue noch nie.

Es wirkt fast so, als hätte Christiane Arp seit 20 Jahren darauf gewartet, dass so etwas wie in Berlin passiert, dass sie endlich eingreifen und ihre Macht nutzen kann. Aber diese Macht kann sich ganz schnell gegen einen richten, wenn man sie missbraucht. Christiane Arp weiß das. Mal etwas ausprobieren geht nicht. Wenn Christiane Arp Stellung bezieht, hört sie ganz genau auf ihre innere Stimme. Vielleicht ist sie in all den Jahren manchmal ungeduldig geworden, in denen sie immer in der ersten Reihe saß und die schönen Kleider der jungen Designer an sich vorbeiziehen ließ. Und alle immer auf sie schauten, ob vielleicht an ihrem Gesichtsausdruck zu erkennen wäre, ob der wichtigsten Chefredakteurin eines deutschen Modemagazins gefiel, was sie sah.

Die Vogue ist nicht einfach nur ein Medium für die schöne, glatte Oberfläche. Sie ist eine perfekt arbeitende Maschine, und alles was hier eingespeist wird, wird noch einmal poliert und bekommt fast überirdischen Glanz. Das Magazin hat eine Aufgabe, und die hat es, egal ob es in Russland, China oder in Großbritannien gemacht wird. Die Chefredakteure sind Vermittler zwischen Händler und Designer. Der Kreislauf muss funktionieren, und die Vogue sorgt dafür, dass die Rädchen immer genug Öl haben.

Wenn Christiane Arp am Freitag in ihren Salon einlädt, ist das als Empfehlung an die Händler zu verstehen: Das solltet ihr in euren Läden hängen haben. Wir haben es in der Vogue gezeigt, jetzt wollen es die Leute kaufen. Wenn die Vogue-Redakteurin Lea Gross ein Produkt aus einem Onlineshop auf ihren Seiten „En Vogue“ vorstellt, bittet sie darum, die Ware ein paar Wochen zurückzuhalten. „Ich warne vor dem Ansturm, der kommt, wenn unser Heft erscheint.“

So viel Selbstverständnis muss eine Mitarbeiterin bei der Vogue haben. Umso mehr rührt das Eingeständnis ihrer Chefin, nicht so selbstgewiss zu sein, wie man sich dass bei einer Frau in ihrer Position vorstellen würde.

„Ein Heft wie die Vogue zu machen, ist von außen betrachtet natürlich großartig. Da sagt man sofort ja, wenn man gefragt wird. Innerlich denkt man: Oh mein Gott, kann ich das überhaupt, das ist eine Weltmarke und jetzt beobachten mich alle ganz, ganz genau! Aber es ist wie bei den jungen Designern: Irgendwann wird der Weg breiter und man beschreitet ihn immer sicherer. Ich habe ja auch Modedesign studiert und mich lange damit beschäftigt. Ich habe schon früh für mich entschieden, dass ich keine herausragende Modedesignerin werde, dass mich aber Zeitschriften, das Phänomen Mode und was es mit uns Frauen macht, interessieren. Und ich kann beurteilen, was gutes Design ist und was nicht. Das Heft steht gut da, ich hoffe, da sind viele mit mir einer Meinung. Deshalb kann ich es mir leisten, etwas für den Nachwuchs zu tun. Das erfordert Zeit. Denn das eine ist die Idee und das Träumen davon, das andere ist, dass man es auch realisieren kann. Und dass ich, wenn das Telefon klingelt und jemand fragt „Kannst du mir helfen“, mir die Zeit nehme, es auch wirklich zu machen."

Einige der Vogue-Chefredakteurinnen sind selbst zu Marken geworden. Die wohl berühmteste ist Anna Wintour. Wenn auch kaum jemand in Deutschland jemals eine amerikanische Vogue in der Hand gehabt haben dürfte, wissen viele Menschen, dass Anna ihre Mitarbeiter quält, weil eine ehemalige Assistentin das Buch „Der Teufel trägt Prada“ darüber schrieb, das auch verfilmt wurde. Und seit dem Dokumentarfilm „The September Issue“, der die Chefredakteurin bei der Arbeit zeigt, weiß auch jeder, dass sie Designer zu Stars machen oder vernichten kann. Alle Welt war entzückt, als es mit der französischen Vogue-Chefin Carine Roitfeld plötzlich eine Rivalin gab, die es mit Anna Wintour aufnehmen wollte. In deutschen Zeitungen standen lange Berichte über den Kampf der vier Jahre jüngeren Französin, die so etwas wie der Punk der Voguefamilie war, gegen die angezählte „Nuclear Wintour“. Carine Roitfeld hat vor ein paar Monaten gekündigt. Es sei jetzt genug und es wäre auch nicht mehr lange gut gegangen, verkündete sie kürzlich. Die von ihr in Auftrag gegebenen Modestrecken waren immer ein bisschen zu erotisch, zu düster, zu provokativ.

Dagegen macht Christiane Arp einfach nur ihren Job. Sie hat die Fotostrecke für die August-Ausgabe mit Kleidung von Michael Sontag, Vladimir Karaleev, René Storck und Augustin Teboul selbst inszeniert und beaufsichtigt. Sie ist halt die Norddeutsche, und über alles, was sie sagt, hat sie vorher nachgedacht. Und wenn sie nicht darüber nachgedacht hat, holt sie tief Luft, macht eine lange Pause und spricht dann klar und deutlich in vollständigen Sätzen. Deshalb waren alle ganz aufgeregt, als sie das unschöne Wort „Scheiße“ in den Mund nahm, mitten unter ihren Gästen bei einem Vogue-Empfang im Restaurant Borchardt während der Berliner Fashion Week im Januar. In einem Spiegelartikel hatte gestanden, dass Berlin als Modestadt gescheitert sei. Arp war da anderer Meinung. Endlich zeigt sie Gefühle! Vielleicht hat sie sich da vorgenommen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, vor die Kulissen zu treten.

„Begeistern ist das Zauberwort. Was hat uns denn wirklich so fasziniert an der Weltmeisterschaft 2006? Natürlich das Fußballspiel. Aber auch die Bilder voller Lebenslust von der Straße – und wir wussten, das ist nicht in Brasilien, das findet gerade hier bei uns statt. Wir waren von uns begeistert, weil alle von uns begeistert waren, und überrascht, dass wir das auch können. Das hat einiges verändert. Ich bin kein Fußballfan, aber ich bin ein Fan des perfekten Moments, und das war einer. Diese Begeisterung für Dinge, die das Leben schöner machen, geht uns Deutschen ein wenig ab. Ich liebe Mode, aber ich interessiere mich durchaus auch noch für andere Sachen. Doch ich finde es immer noch großartig, wenn ich jemanden treffe und sehe, dass er oder sie sich die Mühe gemacht hat, sich schön anzuziehen. Das empfinde ich als respektvoll. Wenn man gut angezogen ist, bekommt man ein besonderes Gefühl, das einen sich selbst und die Dinge um einen herum ganz anders wahrnehmen lässt. Das ist die wahre Macht der Mode.“

Dessen sind sich hier in dem gläsernen Kasten in der Münchner Karlstraße alle bewusst und vielleicht ist das auch die größte Eigenheit der deutschen Vogue, dass sie das ein wenig herunterspielen. Die Mitarbeiter verhalten sich auffallend normal. Kein bisschen Hysterie strahlt aus den kleinen gläsernen Büros auf die langen Gänge aus. Der Textchef Robert Emich erzählt, wie schwer es ihm die Stars manchmal machen wollen, wenn es darum geht, ein Interview zu führen. Aber dann sticht meistens die Vogue. Und Lea Gross sagt, dass sie sich lieber Material aus dem Internet besorgt, weil die jungen Designer durchdrehen würden, wenn sie direkt bei ihnen anfragen würde. Und wie Christiane Arp hinter ihrem Schreibtisch sitzt und sich für die Bücher und Papierstapel entschuldigt, die sie Unordnung nennt, ist einfach nur sympathisch. Als müsse sie sich rechtfertigen, für das, was sie ist.

„Meine erste Leserin bin immer ich selbst. Bei den Modeschauen sitzt in der ersten Reihe nicht nur die professionelle Modeexpertin, sondern auch die Privatfrau Christiane Arp. Ich habe immer Notizbücher dabei und schreibe alles auf, was auf dem Laufsteg passiert und für uns interessant sein kann. Dafür habe ich verschiedene Kürzel, die meine Assistentinnen kennen. Wenn da „CA“ steht, bedeutet das: Das ist ein Lieblingsteil. Und ich weiß: Wenn mir das so geht, geht es auch der Leserin so. Die Wahrheit ist doch: Wir brauchen im Grunde nichts, aber wir wollen alles haben, was uns gefällt. Diese Entscheidung ist absolut emotional. Und wir nehmen uns nur Zeit für etwas, was uns wirklich interessiert und fasziniert. Es wäre fatal, wenn jemand in zwei Minuten die Vogue durchblättert. Wenn ich das sehe, würde ich wahrscheinlich sofort hingehen und versuchen zu missionieren. Wir setzen uns ja nur mit dem auseinander, was uns berührt. Das ist es, was ich will.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false