zum Hauptinhalt
Leichtfüßig geht es in der Branche eher nicht zu. Einige Hersteller wie die auf buntes Schuhwerk spezialisierte Firma Melvin & Hamilton haben dennoch Grund zur Freude.

© promo

Schuhtrends: Bunt zu Fuß

Unter den Schuhgeschäften herrscht das große Sterben. Gekauft wird immer mehr online. Was bedeutet das für die Branche? Eine Erkundung auf der Schuhmesse GDS.

Die Laune auf der ehemals größten deutschen Schuhmesse GDS ist dieses Mal nicht allzu gut. Nicht nur, dass von der alten Größe nicht mehr allzu viel geblieben ist, gleich zu Beginn der Düsseldorfer Veranstaltung wurde ihr endgültiges Ende verkündet. Im August gibt es ein neues Konzept mit anderen Eigentümern an einem anderen Ort. Bloß raus aus den riesigen Messehallen, die schon schwer zu ertragen sind, wenn das Geschäft läuft. Aber jetzt ist gähnende Leere, kein Mensch ist zwischen den großen Kästen mit Wellblechverkleidung unterwegs, die eine ähnliche architektonische Glanzleistung der siebziger Jahre sind wie die Autobahnbrücken, die viele westdeutsche Innenstädte durchkreuzen.

Innen tobt auch nicht gerade das Leben. Kamen zu den Hochzeiten vor rund 15 Jahren noch mehr als 50 000 Besucher in die ausgebuchten Messehallen, verlieren sich hier jetzt gerade mal 10 000 Besucher. Noch vor ein paar Jahren stellten noch mehr als 1000 Marken aus, jetzt sind es noch 550. Es scheint, dass die Schuhe gerade für diejenigen gemacht werden, die weglaufen.

Dabei sind viele Modelle hier gerade richtig schön bunt, Samt und Stickereien allüberall. Es scheint, dass die Schmucksucht so etwas wie eine Auflehnung gegen all die Tristesse ist, die eben nicht nur hier in Düsseldorf, sondern vor allem in den Schuhläden landauf und landab herrscht.

Unter den Schuhgeschäften herrscht das große Sterben

Wird die Krise in der Mode noch fröhlich von Saison zu Saison mit neuen Ideen und Kollektionen bekämpft, ist die Resignation im Schuhhandel sehr viel größer. 75 Prozent der inhabergeführten Schuhgeschäfte haben im vergangenen Jahr weniger verkauft als 2015. Der Onlinehandel, allen vorweg Zalando, hat die ganze Branche aufgemischt.

Umbruch ist ein sehr euphemistisches Wort für das, was gerade in der Schuhbranche vor sich geht, man kann es getrost das große Sterben nennen, denn viele Händler können ihre Geschäfte nicht mehr halten. Das liegt sicher auch an der „schwarzen Soße“, wie ein Aussteller die oft uninspirierte Präsentation in vielen Läden nennt. Einfach nur Ware ins Regal stellen, reicht in Zeiten des bequemen Online-Shoppings einfach nicht mehr.

Vielleicht kommt man sich auf dem Stand von Melvin & Hamilton deshalb auch ein wenig vor wie auf einer Arche Noah. Hierhin scheinen sich alle verbliebenen Schuhhändler gerettet zu haben. Mit geröteten Wangen sitzen sie vor bunten Schuhen in allen Farben des Regenbogens und füllen Orderlisten für den nächsten Herbst aus.

Der Gründer Rajab M. Choukair hat immer schon gewusst, dass seine bunt gefärbten Schuhe irgendwann gefragt sein werden. Seit 1964 macht er auf der GDS Geschäfte – er erzählt eine Geschichte von den Anfängen, die in der Modewelt in vielen Varianten erzählt wird: Wie er einst den Dachgepäckträger seines Citroëns mit Schuhkartons bepackt hat und nach Düsseldorf fuhr. Ausgelacht haben sie ihn, als er anfing, bunte Herrenschuhe anzubieten, aber jetzt, wo die Händler dringend Neues brauchen, machen er und seine Söhne das Geschäft ihres Leben.

„Das ist unsere beste Messe jemals“, sagt er. So viel Euphorie scheint seinem Sohn Olivier dann fast ein wenig unangenehm zu sein, er weiß ja, wie es seinen Händlern geht, und das tut ihm auch wirklich leid. Er zuckt mit den Schultern, was soll er machen. „Der Kuchen wird halt nicht größer, sondern er wird nur neu aufgeteilt. Und richtig viel ist den Händlern auch nicht eingefallen, um ihre Kunden zu halten. Sie haben keinen Mut.“ Und das klingt dann ein wenig wie: selber schuld.

Der Bequemschuh boomt

Wenn man so will, ist die Messewelt bei Lloyd noch in Ordnung. Die große deutsche Schuhmarke konkurriert mit Birkenstock um den größten Stand. Es sieht aus, als hätten sie sich eine Trutzburg gebaut. Die Schuhe sind von hohen Wänden umgeben, rein kommt nur, wer sich ausweist. Bunte Experimente brauchen sie bei Lloyd anscheinend nicht zu machen, hier gibt es fast nur Modelle in Braun und Schwarz – die klassischen Farben, die Herrenschuhe immer schon hatten. Was dagegen wichtiger wird, ist die Qualität. Ausgestellt ist ein Schuh, dessen verschiedene Schichten der Sohle im Querschnitt zu sehen sind. Es geht um Tragekomfort und Atmungsaktivität.

Bei Birkenstock gibt es keine Geheimniskrämerei. Hier versucht man es mit dem gegenteiligen Konzept: alles zeigen, was man hat, und damit beweisen, dass die Firma längst viel mehr macht als Gesundheitslatschen. Dabei haben die in den letzten Jahren einen erstaunlichen Imagewandel durchgemacht. Von den Füßen ökobewegter älterer Menschen mit Fußproblemen wanderten sie an die Füße junger Hipster. In Asien sind sie so gefragt, dass sie dort sogar deutlich teurer gehandelt werden als in Deutschland. Um die Begehrlichkeit aufrechtzuerhalten und die Nachfrage nicht zu schnell zu befriedigen, wurde die Produktion sogar zeitweise gestoppt. Aber jeder Hype ist irgendwann vorbei. Darauf will man bei Birkenstock vorbereitet sein und stellt nicht nur richtige Schuhe her, sondern auch Taschen und Accessoires – und sogar Tiere aus Leder. Das sieht dann ein bisschen nach Trial and Error aus.

Bei Nina Binné weiß man dagegen auf den ersten Blick, was sie verkaufen will. „Ich mache Herrenschuhe ausschließlich für Frauen“, sagt die Hamburgerin. Klassische Brogues, auch Budapester genannt, in vielen Farben und mit eingestanzten Löchern, die von Herzchen bis zum Totenkopf unterschiedliche Muster bilden. All ihre Schuhe kosten 399 Euro, alle sind auf dem gleichen Leisten aufgebaut, der schmal ist und an dem sie lange getüftelt hat. „Warum soll ich jede Saison die Schuhe neu erfinden, dieser Schuh ist ein Raumwunder!“ Seit sechs Jahren verkauft sie nun ihren immer gleichen Schuh in immer neuen Variationen, zum Beispiel als Modell Tatütata in rotem Lack- und sandfarbenem Velourleder.

Und Nina Binné ist endlich mal eine, die sich wohlfühlt in diesen Messehallen. Mehrere Jahre hat sie es auch in Berlin auf den Modemessen versucht, aber erst hier hat sie Menschen gefunden, die ihre Produkte wirklich verstehen. „Die Schuhleute sind doch anders, die erkennen sofort, ob man gute Schuhe macht.“

Ein Trend ist auf der Messe deutlich erkennbar: Der Bequemschuh boomt. „Irgendwann geht es vor allem darum, ohne Schmerzen zu gehen“, sagt Carl L. J. van der Putten, Chef von JJFootwear. Um ihn herum heißen die Marken Waldläufer, Wolky und Vitalschuhe. Alle bieten Gesundheitsschuhe an, die immer weniger so aussehen dürfen. „Die Hippies von früher sind jetzt Omis“, sagt van der Putten. Er kann nicht verstehen, wie viele Schuhe verkauft werden, die ihren Trägern schaden. „98 Prozent der Produzenten haben keine Ahnung von Füßen, die sollten ins Gefängnis gehen, wenn sie Füße zerstören.“ Er zählt all die orthopädischen Tricks auf, die seine Schuhe bequem machen. Und erklärt, wie sie möglichst unsichtbar bleiben – selbst wenn eine Hammerzehe verpackt werden muss.

Egal ob orthopädisch oder schick: Es bleiben immer rund 200 Schritte, bis ein Schuh fertig ist. Deshalb findet es Olivier M. Choukair auch absurd, wenn Schuhe 29 Euro kosten. Er ist sich sicher, dass Qualität als Verkaufsargument wichtiger wird. Worauf sich alle einigen können: Die Jagd nach den richtigen Schuhen wird weitergehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false