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WIE VERKAUFT MAN JEANS?: Die passt garantiert!

Jeder kann eine Geschichte aus dem Einzelhandel erzählen. Wie schlecht er behandelt wurde, wie unverstanden er sich gefühlt hat, als er auf der Suche nach einer neuen Hose war. Franziska Klün hat mal auf der anderen Seite nachgefragt.

Silvia Karani, Verkäuferin in einem Jeans-Geschäft in der City-West, erzählt:

„Seit acht Jahren stehe ich in diesem Laden, nicht jeden Tag, ich bin Aushilfe, nebenbei studiere ich. Man findet mich meistens in der Abteilung für Frauenjeans. Da ich die Hosen, die wir führen, die Schnitte und Waschungen nach all den Jahren in- und auswendig kenne, verkaufe ich sehr gut. Ich weiß genau, welcher Schnitt zu welcher Figur passt, welche bei wem zu sehr aufträgt, all diese Dinge. Dadurch ist die Arbeit entspannt, ich habe keinen Druck, dass ich mehr Umsatz generieren müsste. Und ich quatsche gern – eine wichtige Voraussetzung bei dieser Arbeit.

Allgemein ist es doch so: Jeanskauf ist eine schwierige Angelegenheit, für einige Frauen ist es ein richtiger Horror. Wenn ich da weiterhelfen kann und sehe, wie glücklich manche Kundin den Laden verlässt, freue ich mich. Es hängt also immer von den Kunden ab, wie viel Spaß ich an einem Tag habe.

230-Euro-Modelle

Insgesamt gibt es fünf Kundengruppen: Gruppe eins sind die jungen, sehr trendaffinen Frauen. Die achten stark auf den Preis. Da weiß ich, unsere Modelle über 200 Euro brauche ich denen gar nicht erst anbieten. Viele wollen nur probieren, ein bisschen träumen. Gruppe zwei sind die Frauen ab Mitte 40, die sich gerne ausgiebig darüber beschweren, dass wir so viele Modelle in Used-Optik und so wenig klassische Jeans führen. Gruppe drei sind die Geschäftsfrauen: Zwischen 30 und 40 Jahre alt und auf der Suche nach einer Hose fürs Büro, also keine starke Waschung, eng, aber nicht zu sehr.

Gruppe vier sind die Russen. Keine Touristen, sondern in Berlin lebende. Die erkenne ich schon von weitem: Blondierte Haare, stark geschminkt, immer in Begleitung. Im Winter tragen sie meistens Ugg-Boots und Pelz, entweder einen ganzen Pelzmantel oder einen Schal, eine Mütze, was auch immer, Hauptsache Pelz. Meistens sind sie gezielt auf der Suche nach extremen Waschungen, kennen sich oft besser aus als einige unserer Aushilfen. Die probieren die 230-Euro-Jeans noch nicht einmal an, bevor sie sie kaufen – und ich habe noch nie erlebt, dass jemand zurückkam, um ein Paar umzutauschen. Oft nehmen sie ein Modell gleich in zwei, drei Waschungen mit. Kaufen dann hier noch ein Paar Pumps, da noch eine Strickjacke. Da ist man schnell bei 1000 Euro. Auffällig ist, wie hartnäckig manche Russen sind. Wenn ich im Lager war und nicht finden konnte, wonach sie suchen, fragen sie gern noch mal zwei andere Kollegen, bevor sie aufgeben.

Franzosen, Amis, Brasilianer
Und dann gibt es Gruppe fünf: die Touristen. Die Asiaten gelten als respektlos, was auch daran liegt, dass viele kein Englisch sprechen. Die reißen mir oft alles aus den Händen und Regalen. Am Ende schaut die gesamte Abteilung aus, als sei sie ein einziger großer Grabbeltisch. Die Israelis sind oft arrogant, die Franzosen schüchtern und die Amerikaner höflich, aber fordernd.

Am Schwierigsten allerdings sind die Brasilianer. Die kommen in Scharen zu uns, vor allem zu Sale-Zeiten. Da unsere Hosen in Brasilien knapp viermal so teuer sind, kaufen die meisten nicht ein, zwei, drei Paar für sich, sondern gleich für die ganze Familie und den Freundeskreis dazu. Die wühlen sich durch die Regale, telefonieren nebenbei mit daheim, machen Fotos von den Hosen und schicken sie per MMS nach Hause, um am Ende mit sieben, acht Paaren den Laden zu verlassen. Dabei ist die Länge der Hosen stets egal, die müssen sie wohl eh kürzen.“

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