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Panorama: Mörder auf Strandurlaub

Von Susanne Güsten, Istanbul Am Strand des türkischen Urlaubsortes Alanya bummelte am vergangenen Wochenende ein schmächtiger Mann mit Hakennase zwischen den Liegestühlen umher und betrachtete mit unverhohlenem Interesse die blanken Busen der europäischen Urlauberinnen. Die Touristinnen, die sich dort oben ohne sonnten, konnten nicht wissen, wer da um sie herum scharwenzelte – sonst hätte es wohl eine Panik am Strand gegeben.

Von Susanne Güsten, Istanbul

Am Strand des türkischen Urlaubsortes Alanya bummelte am vergangenen Wochenende ein schmächtiger Mann mit Hakennase zwischen den Liegestühlen umher und betrachtete mit unverhohlenem Interesse die blanken Busen der europäischen Urlauberinnen. Die Touristinnen, die sich dort oben ohne sonnten, konnten nicht wissen, wer da um sie herum scharwenzelte – sonst hätte es wohl eine Panik am Strand gegeben. Als der „Perverse von Alanya“ ist Hakan Karayavuz der türkischen Öffentlickeit bekannt, weil er vier Touristinnen vergewaltigt und zwei ermordet hat. Obwohl er eigentlich lebenslänglich hinter Gittern bleiben sollte, wurde Karayavuz durch einen Justizirrtum aus dem Gefängnis entlassen – von wo ihn sein erster Weg wieder zum Strand führte. Nach einem öffentlichen Aufschrei in der Türkei und scharfen Protesten aus Holland, wo drei seiner Opfer her stammten, wurde der „Perverse von Alanya“ in dieser Woche schnell wieder eingebuchtet. Die Wogen der Empörung haben sich aber noch längst nicht geglättet.

Der Bürgermeister von Alanya, Hasan Sipahioglu, schlug den ersten Alarm, als er von der Freilassung des Schwerverbrechers bei einer von Ankara erlassenen Amnestie erfuhr. „Wie könnt ihr ruhigen Gewissens solche Mörder und Vergewaltiger laufen lassen?“, beschwerte sich der Bürgermeister beim Justizministerium und schaltete die Presse ein, weil er um den Ruf seiner Stadt als friedliches Urlaubsparadies fürchtete. Die Zeitungen ließen sich nicht lange bitten, denn der „Perverse von Alanya“ ist der Öffentlichkeit auch nach sieben Jahren noch in schauerlicher Erinnerung.

Zusammen mit vier Kumpanen fiel der als Busfahrer beschäftigte Karayavuz am 24. Mai 1995 über die 21jährige russische Touristin Valeria Kozlova her, als sie ahnungslos in seinen Bus einstieg. Die fünf Männer vergewaltigten das Mädchen reihum und schlugen ihr dann den Schädel ein. Gleich am nächsten Tag entführten sie auf dieselbe Tour drei Holländerinnen, die sie mehrfach vergewaltigten und anschließend aus dem fahrenden Bus warfen, um auch sie zu töten. Die junge Marijke van Dijk blieb tot in einem Abgrund liegen, doch die beiden anderen Frauen überlebten und sagten später vor Gericht gegen ihre Peiniger aus. Als Haupttäter wurde Karayavuz zu zweimal lebenslänglich verurteilt, wovon drei Jahre in Isolationshaft abzusitzen waren; seine Mittäter erhielten Gefängnisstrafen zwischen 14 Jahren und lebenslänglich.

Dass Karayavuz gerade einmal sieben Jahre später trotzdem wieder am Strand von Alanya spazieren gehen konnte, liegt an der Vorliebe türkischer Politiker für regelmäßige Amnestien, mit denen sie sich bei den Wählern beliebt zu machen glauben. Über den jüngsten solchen Straferlass der Regierung verhandelt zwar noch das Verfassungsgericht, das vom empörten Staatspräsidenten angerufen wurde; inzwischen wurden aber bereits tausende Verbrecher freigelassen – darunter der „Perverse von Alanya". „Wenn es in der Türkei Gerechtigkeit gibt, dann müssen meine Freunde jetzt auch freigelassen werden“, forderte der sogleich frech.

Die beiden überlebenden Holländerinnen mochten ihren Ohren kaum trauen, als sie von ihrem türkischen Anwalt von der Freilassung erfuhren, und machten in den Niederlanden gegen die Entscheidung mobil. Tagelang sorgte der Justizskandal in der niederländischen Presse für Schlagzeilen, und auch die Regierung schaltete sich ein. Den Haag sei „zornig“ über diese Amnestie, die den türkisch-niederländischen Beziehungen nicht gut tun werde, erklärte Außenminister Jozias van Aartsen. Der niederländische Kronprinz Willem Alexander sagte mit Verweis auf den Justizskandal einen für diese Woche geplanten Besuch in der Türkei ab.

Hastig wurde Karayavuz daraufhin wieder eingefangen und ins Gefängnis zurück verfrachtet. Ein Sonderkurier brachte den entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft aus Alanya zum zuständigen Gericht im rund 600 Kilometer entfernten Iskenderun und wartete die Eilentscheidung auf den Stufen des Gerichtsgebäudes ab, um den Vollstreckungsbefehl mit Vollgas nach Alanya zurückzubringen. Ein bedauerlicher Irrtum habe zu der Freilassung geführt, entschuldigten sich die Justizbehörden: Als Doppelmörder wäre der „Perverse von Alanya“ zwar tatsächlich in den Genuss der Amnestie gekommen, doch habe das zuständige Gericht übersehen, dass er zudem wegen Vergewaltigung verurteilt war – und dafür kennen selbst türkische Politiker kein Pardon.

„Die Regierung hat mich an die Holländer verkauft“, brüllte Karayavuz, als er von Polizisten durch die Gefängnistore geschleift wurde. Kurz zuvor hatte er doch noch eine Holländerin zu fassen bekommen: Im Vorbeigehen schlug er eine holländische Reporterin mitten ins Gesicht. Die Journalistin erstattete inzwischen Strafanzeige gegen den Verbrecher, und auch sonst ist die Affäre um den „Perversen von Alanya“ in der Türkei noch längst nicht vorbei. „Wo gibt es denn sowas, dass ein solcher Verbrecher nach sieben Jahren freigelassen wird?“, fragte die Zeitung „Hürriyet“ in einem Leitartikel. „Selbst wenn es ein Irrtum war.“

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