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Panorama: Monströse Gerüchte

Werden in Köln Mädchen von Kinderschändern missbraucht und getötet? Die Polizei ist im Großeinsatz

Mit der Überschrift „Gibt es einen Fall Dutroux in Köln?“ hat die Boulevardzeitung „Express" ihrer Leserschaft einen gewaltigen Schreck eingejagt. „Bild" gab vor zu wissen, Kinderschänder hätten es in Köln gezielt auf kleine Mädchen aus Rumänien abgesehen, die sexuell missbraucht, ermordet und verscharrt wurden.

Was steckt hinter diesen Meldungen? Für den zuständigen Oberstaatsanwalt Alf Willwacher ist dies alles „journalistische Fantasie“. Über das, was die Medienspekulationen allerdings auslöste, äußert sich Willwacher ebenso wie die Kölner Polizei verhalten und mit aller gebotenen Vorsicht. „Es kann sein“, sagt Polizeisprecher Wolfgang Beus, „dass alles nur eine große Superblase war und nichts dabei rauskommt“. Es kann aber auch sein – das schließt derzeit kein Ermittler aus –, dass es in Köln tatsächlich verscharrte Kinderleichen missbrauchter Jungen oder Mädchen gibt.

Seit drei Tagen befindet sich die Kölner Polizei im Großeinsatz. Bisher wurde die Existenz eines Kinderschänderrings nicht belegt, es wurde auch keine Spur irgendeiner Kinderleiche gefunden.

Das muss nichts heißen. Niemand weiß, ob die monströsen Gerüchte stimmen oder nicht.

Welche Fakten stehen fest? Offiziell bestätigt wird: Am 11. Dezember vergangenen Jahres ging bei der Kölner Polizei ein anonymer Hinweis ein. Sein Inhalt: Kinder in Köln sollen sexuell missbraucht, anschließend getötet und verscharrt worden sein. So grauenhaft muss der in dem Schreiben dargestellte Sachverhalt gewesen sein, dass die Polizei sofort tätig wurde.

Handelte es sich, wie der Tipgeber nach inoffiziellen Informationen aus Polizeikreisen offenbar behauptete, um osteuropäische Mädchen, die Kinderschänder in Kölner Hotels einer entsprechenden Kundschaft feilboten und anschließend ermordeten? Seit drei Monaten schon geht die Kölner Polizei allen möglichen Spuren nach. Bislang ohne Erfolg.

In dieser Woche dann erließ ein Ermittlungsrichter wegen des Verdachts auf Mord und sexuellen Missbrauch sieben Durchsuchungsbeschlüsse: ein Hotel, verschiedene Wohnungen und Geschäftsräume wurden durchsucht. Festnahmen gab es keine, stattdessen zahlreiche Vernehmungen von Hotelbesitzern und Leuten, die mit einem unwegsamen 60000 Quadratmeter großen Gelände in Köln-Porz zu tun hatten. Dort nämlich sollen die Kinderleichen – sollte es sie denn geben – vergraben worden sein.

Mit Spürhunden und in respektabler Anzahl durchkämmte die Polizei in dieser Woche das Gelände – und gab am Freitag vorerst auf. Zu schwierig ist das Gelände. Nun berät sie sich mit Biologen und Botanikern, die ihr sagen sollen, wie man des Gestrüpps und der Unwegsamkeit auf dem Brachland Herr werden kann. Außerdem wird überlegt, ob man nicht die Bundeswehr zu Hilfe ruft, damit die Soldaten mit entsprechenden Sichtgeräten per Hubschrauber das Areal von oben betrachten.

Seitdem die Ermittlungen aufgrund des anonymen Hinweises bekannt wurden, werden spekulative Querverbindungen gezogen. So kam der „Express" allein deshalb auf eine mögliche Spur hin zu Dutroux, weil dieses Gelände bis 1992 belgische Streitkräfte beherbergte und in den Siedlungen belgische Familien lebten. Belgier? Da kann Dutroux nicht weit sein, mag sich jemand gedacht haben. Der Bezug wird hergestellt. Auch wenn es keinerlei Hinweise der Ermittler auf eine derartige Verbindung gibt.

So bleibt denn abzuwarten, was die geplante weitere Durchsuchung des Brachlandes mit Leichenspürhunden ergeben wird, die derzeit aus anderen Bundesländern angefordert werden. Am Ende dieser Aktivitäten kann „durchaus stehen, dass an all dem gar nichts dran war“, meint Oberstaatsanwalt Willwacher. Auch wenn er nicht den Eindruck erwecken möchte, Kölner Ermittler seien einem anonymen Hinweis aufgesessen, der sich von Anfang an als Flop erwies. Immerhin habe ein Richter ja nicht ohne Grund sieben Durchsuchungsbeschlüsse erlassen, „die alle nicht ganz aus dem blauen Himmel kamen“. Doch was genau die Ermittler in Händen haben, wollen sie aus taktischen Gründen nicht preisgeben.

Das läd zu Spekulationen ein.

Ingrid Müller-Münch[Köln]

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