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Panorama: Mord im Konjunktiv

„Wenn ich es getan hätte“: Eine skrupellose Verlegerin veröffentlicht O. J. Simpsons Mördermemoiren

Die Zeitschrift „Vanity Fair” nannte sie einst einen „schandmäuligen Tyrannen“, der britische „Telegraph“ schlicht „die böseste Frau in den Medien“. Verlagschefin Judith Regan kennt sich aus im Geschäft mit den Büchern, den Schlagzeilen und den Millionen. Sie veröffentlichte den Ratgeber einer Queen des horizontalen Gewerbes („Sex haben wie ein Pornostar“), die Memoiren des Skandal-Radiotalkers Howard Stern und zeigte sich leicht bekleidet auf dem Cover des hauseigenen Katalogs. Nun hat sie wieder zugeschlagen: „If I Did It“ („Wenn ich es getan hätte“), das hypothetische Pseudogeständnis des freigesprochenen Mörders O. J. Simpson, präsentiert sie zur Vorweihnachtszeit gleich im Doppelpack – als Buch und als zweistündiges Interview mit dem reißerischen Untertitel: „Wie ich es getan hätte, wenn ich es getan hätte“.

Die Angehörigen der beiden Opfer in dem Mordfall von 1994, Simpsons Ex-Frau Nicole Brown Simpson und deren Freund Ronald Goldman, sind empört. CNN-Talker Larry King macht seine angebliche Abscheu über den Coup gleich zwei Abende hintereinander zum Thema seiner Show. Court-TV lässt die Experten, die schon 1995 über den unglaublichen Freispruch des ehemaligen Football-Stars berichteten, den ganzen Tag lang non-stop antanzen. Fox, der Fernsehsender, auf dem die Interviews am 27. und am 29. November ausgestrahlt werden sollen, reibt sich die Hände. Eine satte Einschaltquote ist dem Sender gewiss, der zum Medien-Imperium des Rupert Murdoch gehört. Wie übrigens auch der Verlag Harper Collins, dessen Tochter Regan-Books Judith Regan leitet.

Um die Wertschöpfungskette komplett zu machen, äußerte sich die Verlegerin am Freitag in einem langen Beitrag für das Boulevard-Blatt „New York Post“, auch ein Murdoch-Unternehmen, zu den Motiven ihrer journalistischen Tat. „Dieses Buch ist ein Geständnis“, sagt sie, „ich hätte kein Interesse daran gehabt, irgendetwas anderes zu veröffentlichen.“ Auf den Vorwurf der Angehörigen, sie gebe einem zu Unrecht freigesprochenen Mörder ein öffentliches Forum, erwiderte Regan: „Publizieren bedeutet nicht ‚gutheißen’, sondern ‚in die Öffentlichkeit bringen’.“ Nichts anderes tue schließlich auch der Verleger von „Mein Kampf“.

Die 3,5 Millionen Dollar, die Simpson laut Medienberichten für das Buch und die Interviews erhielt, fließen laut Regan an dessen zwei Kinder, die aus der Ehe mit Nicole Brown Simpson stammen. Alles andere wäre auch höchst pikant, wurde der ehemalige Sportler und Schauspieler doch zwei Jahre nach seinem Freispruch in einem Zivilgerichtsverfahren schuldig befunden und zu 33,5 Millionen Dollar Schadenersatz verurteilt. Von dem Geld haben weder die Browns noch die Goldmans bis heute einen Cent gesehen. Simpson verzog sich nach Florida, wo sowohl sein Haus als auch seine 33 000 Dollar Monatsrente von der National Football League unpfändbar sind.

Was genau Simpson in dem Interview und in dem Buch sagt, blieb bislang im Dunkeln. Der TV-Sender kündigt das Ereignis mit dem makaberen Versprechen an: „Er wird sagen, wie er die Morde begangen hätte, wenn er derjenige wäre, der dafür verantwortlich wäre.“ Der Verlag enthüllt in seiner Pressemitteilung: „Sie werden das erste Mal überhaupt eine Schilderung der Mordnacht lesen, die in die Knochen geht und in der sich Simpson vorstellt, Mittelpunkt der Handlung zu sein.“ Ob der Mord im Konjunktiv tatsächlich ein Geständnis im Konjunktiv ist, spielt juristisch keine Rolle. Der Freispruch von 1995 verhindert, dass Simpson noch einmal für die gleiche Tat angeklagt werden kann. Weil er zudem nie in den Zeugenstand trat, ließe er sich nicht einmal wegen Falschaussage belangen.

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