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Widersprüchliche Urteile. Amanda Knox nach ihrem Freispruch im Jahr 2011.

© dpa

Mordprozess in Italien: Amanda Knox: Die Spur führt zur Toilette

Im Fall Amanda Knox wird am Donnerstag oder Freitag das Urteil gesprochen. Offenbar hatte das Mordopfer zuvor einen Besucher der Wohngemeinschaft kritisiert, weil er die Toilettenspülung falsch betätigt habe.

„Ich habe vier Jahre lang unschuldig im Gefängnis gesessen. Und ich habe Angst, dass mir das wieder passiert.“ Nein, zur Urteilsverkündung am Donnerstag oder Freitag wird sie nicht nach Florenz anreisen, die schöne – und durchtriebene? – Amanda Knox, der „Engel mit den Eisaugen“, die laut Verteidigung „trotz umfassenden Fehlens jeglicher Beweise als ideale Angeklagte herhalten“ musste. Die 26-Jährige bleibt vorsichtshalber im heimatlichen Seattle, in den USA, und sollte das italienische Appellationsgericht tatsächlich dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgen und sie wegen Mordes für 26 Jahre ins Gefängnis schicken wollen, dann – so sagte Amanda Knox vor ein paar Tagen in einem ihrer zahlreichen Interviews – „dann werde ich untertauchen“.

Das letzte Wort liegt beim römischen Kassationsgerichtshof

Am Abend des 1. November 2007 wurde in Perugia die britische Austauschstudentin Meredith Kercher auf brutale Weise erstochen und erdrosselt, und mehr als sechs Jahre danach ist alles andere als sicher, ob der Mord tatsächlich aufgeklärt ist. Zwar sitzt einer, 2010 aufgrund erdrückender Beweislage endgültig verurteilt, für sechzehn Jahre hinter Gittern: der heute 27-jährige Rudy Hermann Guede aus der Elfenbeinküste. Was aber Amanda Knox und Raffaele Sollecito – Merediths einstige WG-Mitbewohnerin und ihr damaliger Freund – mit der Tat zu tun haben, darüber sind sich die Gerichte nicht einig geworden. Des Mitmordens schuldig gesprochen wurden Knox und Sollecito 2010; elf Monate später und eine Instanz höher kamen sie frei. Im März 2013 wiederum wies Italiens Oberstes Gericht diesen Freispruch als „in vielerlei Hinsicht lückenhaft, in sich widersprüchlich und unlogisch“ zurück, und seit September 2013 muss ein anderes Appellationsgericht, jenes in Florenz, die Sache neu verhandeln. Nach dem Plädoyer der Verteidigung an diesem Donnerstag wird die Jury ihr Urteil sprechen; das letzte Wort aber liegt wieder beim römischen Kassationsgerichtshof, irgendwann, frühestens in einigen Monaten.

Diesmal sind sich die Verteidiger ihrer Sache sicherer. Das neue Verfahren hat keine neuen Indizien gegen Knox und Sollecito erbracht; im Gegenteil: Auf dem angeblichen Mordmesser fand sich bei einer erneuten Prüfung nun doch keine DNA des Opfers, und ein besser zu den Verletzungen passendes Taschenmesser, wie es Sollecito besessen haben soll, existiert nur als Hypothese des Staatsanwalts.

"Warum sollte man im Streit um eine Klospülung derart brutal morden?"

Dieser hat auch den Tathergang anders rekonstruiert als seine Vorgänger. Nicht das Entgleisen einer hemmungslosen Sexorgie unter Drogeneinfluss habe zum Tod Merediths geführt. Vielmehr habe Rudy Guede bei seinem Besuch in der WG die Klospülung nicht betätigt; Meredith habe ihn dafür gerüffelt, und dann hätten sich Guede und die zufällig hereinkommenden Knox und Sollecito auf die 20-jährige Engländerin gestürzt. „Aber wieso sollten Knox und Sollecito einem Mörder beispringen; sie kannten ihn ja praktisch nicht einmal?”, wendet die Verteidigung ein, und: „Warum sollte man im Streit um eine Klospülung derart brutal morden?“ Ganz abgesehen davon, sagt die Verteidigung, dass Amanda und Raffaele zur Tatzeit noch gar nicht im Haus gewesen seien, und: Selbst die ausgefuchstesten Mörder würden es nicht schaffen, den Ort des Delikts so zu säubern, dass in den zahlreichen Fuß- und Blutspuren ausschließlich die DNA-Spuren eines einzigen Täters – Rudy Guedes in diesem Falle – nachweisbar blieben, alle anderen aber so restlos verschwänden, wie es in der Pergolastraße 7 von Perugia tatsächlich der Fall war.

Den durch das globale Medieninteresse heute weltberühmten Verschluss von Merediths BH, auf dem sich Spuren Sollecitos gefunden haben, hält die Verteidigung für nur verdreckt, nicht aber beweiskräftig. Diesen Büstenhalter hätten die Ermittler erst 46 Tage nach der Tat vom Fußboden der Wohnung aufgelesen, bis dahin seien alle möglichen Leute drübergetrampelt und hätten ihn angefasst.

Die seit 2011 freie Amanda Knox, heißt es, habe an der Uni ihrer Heimatstadt Seattle einen Kurs für „kreatives Schreiben“ belegt; mit ihren Fernsehauftritten und ihrer Autobiografie „Waiting to be heard“, in der sie darüber klagt, dass keiner in Italien ihre Unschuldsbeteuerungen angehört habe, sei sie in den USA zur Millionärin geworden.

Raffaele Sollecito dagegen, der heute knapp 30-jährige studierte Informatiker, hat versucht, seine Gerichtskosten über eine Sammelaktion im Internet hereinzubekommen. 500 000 Dollar hatte Sollecito als Ziel angegeben; 28 436 Dollar sind es bisher geworden. Aber auch wenn er in den vergangenen beiden Jahren durch etliche Auslandsreisen – bis in die Dominikanische Republik – aufgefallen ist, dem Urteilsspruch diese Woche will Raffaele seinem Vater zufolge nicht davonlaufen: „Nur im Gerichtssaal wird er nicht sein, das wäre emotional doch zu anstrengend.“

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