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Panorama: Motiv: Freitod des Sohnes

Selbstmord-Attentäterin konnte Verlust nicht verkraften VON HEINRICH HALBIG Frankfurt (Main).Drei Tage, nachdem die Selbstmörderin Heidrun Erika J.

Selbstmord-Attentäterin konnte Verlust nicht verkraften VON HEINRICH HALBIG

Frankfurt (Main).Drei Tage, nachdem die Selbstmörderin Heidrun Erika J.während der Christmette in einer evangelischen Kirche in Frankfurt-Sindlingen zwei Gläubige mit in den Tod riß, lichtet sich das Dunkel um das Motiv.Auch wenn die 49jährige keinen Abschiedsbrief hinterlassen hat, liegt es offenbar in dem Freitod ihres 18jährigen Sohnes Andreas.Er hatte sich nach Darstellung der Polizei am 12.November 1989 im Stadtteil Sindlingen, wo die Familie bis Ende der achtziger Jahre wohnte und wo auch die heute neunjährige Tochter zur Welt gekommen ist, vor einen Zug geworfen."Der Schlüssel liegt in Sindlingen", sagte Polizeisprecher Manfred Feist am Freitag.Die Frau habe trotz psychologischer Betreuung den Tod des Jungen offensichtlich nicht verwinden können.Vor diesem Hintergrund sei die Wahl des Gotteshauses wohl nicht zufällig gewesen und ihre Tat als selbstgesetzter Schlußpunkt zu bewerten.In der Kirche der Evangelischen Gemeinde Sindlingen-Süd schloß sich sozusagen der Kreis.Ihr Tod sollte "eine Art Fanal" sein. Die Polizei zeigte sich auf der anderen Seite davon überzeugt, daß die Frau beim Zünden der beiden in den Manteltaschen versteckten Handgranaten andere Menschen nicht mit in den Tod ziehen wollte.Nach zuverlässigen Zeugenaussagen habe sie sich, so Feist, offenbar bewußt nach vorn gebeugt, ehe sie die Sprengkörper zündete.Allerdings müsse sie die verheerende Wirkung unterschätzt haben.Bei den beiden Handgranaten handelte es sich um konservenähnliche russische Sprengkörper vom Typ M 52, die in Jugoslawien in Lizenz hergestellt werden.Wer der 49jährigen die Handgranaten beschafft hat, ist nach wie vor ungeklärt. Die Frau hatte ihren Mann und ihre Tochter vor etwa einem Jahr verlassen und war in eine kleine Gemeinde unweit von Usingen (Taunus) gezogen.Dort soll sie eine ältere Frau bis zu deren Tod im August gepflegt haben.Die Polizei ist davon überzeugt, daß die 49jährige ihren Freitod von langer Hand geplant hat. Nach wie vor befindet sich noch eine Kirchenbesucherin, die schwerste Splitterverletzungen erlitten hat, in Lebensgefahr.Für die drei toten Frauen, die Verletzten und die Angehörigen findet am Sonntag in der katholischen Kirche St.Dionysius in Sindlingen ein Gedenkgottesdienst statt.Wegen des unwürdigen Rummels in der Tatnacht und am 1.Weihnachtstag vor allem von Journalisten privater TV-Anstalten und Boulevard-Zeitungen, die ohne Rücksicht auf die Gefühle Betroffener zu "ihrer Story" zu kommen versuchten, will die Gemeinde die elektronischen Medien nicht zulassen.

HEINRICH HALBIG

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